Chinas Militärübungen: Macrons fatales Signal
In Taiwan hat man sich an die Drohungen aus Peking gewöhnt. Macrons Abrücken vom Kurs der USA hat aber das Vertrauen in den Westen geschmälert.
Z um Abschluss der jüngsten chinesischen Militärübungen in der Taiwanstraße lebt die überwältigende Mehrheit der Taiwaner*innen ungerührt ihren Alltag weiter. Nur rund ein Fünftel der Menschen zeigte sich ernsthaft besorgt, als China im August vergangenen Jahres nach dem Besuch von US-Repräsentantenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi die bislang größten Militärübungen in der Taiwanstraße veranstaltete.
Nach den Manövern der vergangenen Tage und Pekings Reaktion auf das Zusammentreffen von Taiwans Präsidentin mit Pelosis Nachfolger Kevin McCarthy fallen die Reaktionen kaum anders aus. Die meisten Taiwaner*innen sind sehr wohl besorgt um die Zukunft der Insel als demokratische Gesellschaft, doch im Alltag haben sie sich an die Drohungen aus Peking gewöhnt. Verharmlosen darf man die Militärmanöver sicher nicht. Chinas Armee simuliert Szenarien für eine strategische Blockade der Insel im Kriegsfall – das ist Sinn und Zweck der Übungen laut dem chinesischen Staatsfernsehen. Ob über kurz oder lang – die Kommunistische Partei ist fest entschlossen, die Kontrolle über Taiwan zu gewinnen.
Unklar ist dagegen, welchen Preis sie dafür zu zahlen bereit ist. Das Gebot der Stunde ist daher, Peking glaubwürdig klarzumachen, wie hoch dieser Preis sein würde, politisch wie ökonomisch. Hierfür ist Taiwan auf verlässliche Partner angewiesen. Das oberflächliche Getöse um Nancy Pelosis Besuch verstärkte bei vielen Taiwaner*innen dagegen eher den Eindruck, die beiden politischen Lager in den USA würden Taiwan nur zur eigenen Profilierung ausnutzen.
Chinas Führung verstärkt diese Wahrnehmung gezielt mit öffentlichen Statements und durch Desinformationskampagnen, um den Verteidigungswillen der Bevölkerung zu untergraben. Dass sich die Taiwaner*innen ihrem vermeintlichen Schicksal ergeben, wäre sicher der Traum der Regierung in Peking.
Mehr Autonomie von den USA
Emmanuel Macrons Besuch bei Chinas Staatspräsident Xi Jinping trägt nicht zum Vertrauen Taiwans in den Westen bei. Während EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Xi dezidiert vor militärischen Schritten warnte, sträubte sich Macron vor jedem Bekenntnis. Angesichts der unberechenbaren politischen Aussichten in Washington mag man es ihm nicht verdenken, dass er prinzipiell für mehr „strategische Autonomie“ Europas von den USA warb – doch gegenüber Taiwan sendet seine Haltung ein fatales Signal.
Knapp ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen schaut Taiwan aufmerksam auf seine viel beschworenen westlichen Wertepartner. In diesen Zeiten Vertrauen zu verspielen, hieße nichts anderes, als die Zukunft des Landes aufs Spiel zu setzen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit