piwik no script img

Chinas MilitärübungenMacrons fatales Signal

Kommentar von Leonardo Pape

In Taiwan hat man sich an die Drohungen aus Peking gewöhnt. Macrons Abrücken vom Kurs der USA hat aber das Vertrauen in den Westen geschmälert.

Macron will in der Taiwan-Frage einen von den USA unabhängigen Kurs Foto: Reuters / Jacques Witt

Z um Abschluss der jüngsten chinesischen Militärübungen in der Taiwanstraße lebt die überwältigende Mehrheit der Tai­wa­ne­r*in­nen ungerührt ihren Alltag weiter. Nur rund ein Fünftel der Menschen zeigte sich ernsthaft besorgt, als China im August vergangenen Jahres nach dem Besuch von US-Repräsentantenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi die bislang größten Militärübungen in der Taiwanstraße veranstaltete.

Nach den Manövern der vergangenen Tage und Pekings Reaktion auf das Zusammentreffen von Taiwans Präsidentin mit Pelosis Nachfolger Kevin McCarthy fallen die Reaktionen kaum anders aus. Die meisten Tai­wa­ne­r*in­nen sind sehr wohl besorgt um die Zukunft der Insel als demokratische Gesellschaft, doch im Alltag haben sie sich an die Drohungen aus Peking gewöhnt. Verharmlosen darf man die Militärmanöver sicher nicht. Chinas Armee simuliert Szenarien für eine strategische Blockade der Insel im Kriegsfall – das ist Sinn und Zweck der Übungen laut dem chinesischen Staatsfernsehen. Ob über kurz oder lang – die Kommunistische Partei ist fest entschlossen, die Kontrolle über Taiwan zu gewinnen.

Unklar ist dagegen, welchen Preis sie dafür zu zahlen bereit ist. Das Gebot der Stunde ist daher, Peking glaubwürdig klarzumachen, wie hoch dieser Preis sein würde, politisch wie ökonomisch. Hierfür ist Taiwan auf verlässliche Partner angewiesen. Das oberflächliche Getöse um Nancy ­Pelosis Besuch verstärkte bei vielen Tai­wa­ne­r*in­nen dagegen eher den Eindruck, die beiden politischen Lager in den USA würden Taiwan nur zur eigenen Profilierung ausnutzen.

Chinas Führung verstärkt diese Wahrnehmung gezielt mit öffentlichen Statements und durch Desinformationskampagnen, um den Verteidigungswillen der Bevölkerung zu untergraben. Dass sich die Tai­wa­ne­r*in­nen ihrem vermeintlichen Schicksal ergeben, wäre sicher der Traum der Regierung in Peking.

Mehr Autonomie von den USA

Emmanuel Macrons Besuch bei Chinas Staatspräsident Xi Jinping trägt nicht zum Vertrauen Taiwans in den Westen bei. Während EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Xi dezidiert vor militärischen Schritten warnte, sträubte sich Macron vor jedem Bekenntnis. Angesichts der unberechenbaren politischen Aussichten in Washington mag man es ihm nicht verdenken, dass er prinzipiell für mehr „strategische Autonomie“ Europas von den USA warb – doch gegenüber Taiwan sendet seine Haltung ein fatales Signal.

Knapp ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen schaut Taiwan aufmerksam auf seine viel beschworenen westlichen Wertepartner. In diesen Zeiten Vertrauen zu verspielen, hieße nichts anderes, als die Zukunft des Landes aufs Spiel zu setzen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • De Gaulle läßt grüßen oder Mourir pour Taipeh?

    Zitat: „Emmanuel Macrons Besuch bei Chinas Staatspräsident Xi Jinping trägt nicht zum Vertrauen Taiwans in den Westen bei.“

    Das erinnert an die souveränistische und die Unabhängigkeit betonende Geopolitik de Gaulles, darauf zielend, auch in der Sicherheitspolitik auf eigenen Füßen zu stehen und sich nicht vor den Interessenkarren der USA spannen, d.h. in Konflikte hineinziehen zu lassen, die nicht die nationalen Interessen Frankreichs berühren: "Unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit im Atomzeitalter, in dem wir uns befinden, erfordert es unsere Unabhängigkeit, daß wir über die Mittel verfügen, einen möglichen Aggressor selbst abzuschrecken, unbeschadet unsere Bündnisse, aber auch ohne daß unsere Verbündeten unser Schicksal in ihren Händen halten." (TV-Ansprache am 27.4.1965).

    Später ging er sogar so weit, Unterstützung ausgerechnet im Kreml zu erblicken: "Ach, Herr Generalsekretär, wie froh wir doch sind, Sie an unserer Seite zu haben, um uns dabei zu helfen, den Pressionen der Vereinigten Staaten zu widerstehen." (an die Adresse Breshnews während seines Moskau-Besuches 1967).

    Angesichts der geringer gewordenen Wahrscheinlichkeit einer sowjetischen Aggression, so der sozialistische „Combat“, bestehe die Gefahr, daß die NATO „Frankreich in alle Abenteuer hineinzieht, in die sich die USA verstricken könnten“, was de Gaulle strikt ablehne. „Denn, berauscht von ihrer militärischen Macht, wollen die USA auf gewohntem Weg überall ihre Vorstellungen durchsetzen". („Combat“, 12.3.1967, alle Zitate aus dem Französischen in eigener Übersetzung)

    Dies entspricht der politischen Ambiance im Westen 1939: "Danzig is not worth a war“ titelte am 3. Mai 1939 die Londoner „Times“. Heute, einige Generationen moderner MDW später und im Zeitalter momentaner nuklearer Vergeltung, stellt sich Macron die Frage: Mourir pour Taipeh im nuklearen Raketenhagel?

    (

  • Die einzigen Werte, die im Westen zählen und damit auch verteidigt werden, sind monetäre Werte.



    Egon Bahr:



    ©



    "In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt."

  • hat doch völlig Recht, der Franzose. Manchmal denke ich, er ist der letzte Vernünftige, und dann kommt seine neoliberale Seite durch (Renten).

  • Taiwan ist für Frankreich wichtiger als Estland. Macron hat damit nicht nur in Asien und Amerika viel Porzellan zerschlagen sondern auch in Nord und Ost-Europa. Wenn China Taiwan erobert und damit die Microchipindustrie dort ist Europa eine Kolonie Chinas. Manch einen mag das nicht stören andere hängen dann doch ein wenig an der Freiheit.

  • Das dauernde reden über sogenannt "Wertepartnerschaft" bleibt hohles geschwätz, so lange noch nicht einmal innerhalb Europas klar definiert ist, um welche Werte es geht.

    Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht, regelmäßig ertrinken etliche von denen vor unseren Augen im Mittelmeer obwohl wir das verhindern könnten.

    Weltweit verhungern Menschen, wärend andere fast an ihrem Geld ersticken. Wir veranstalten Spendengalas um uns selbs besser zu fühlen.

    Täglich sterben weltweit Menschen in irgendwelchen Kriegen, ohne dass es uns interessiert - es sei denn unsere Interessen werden direkt berührt.

    An welchen Werten orientieren wir uns?



    Vielleicht ist Macron an diesem Punkt ehrlicher als manch anderer Politiker.

    • @Bürger L.:

      Ich gebe Ihnen Recht.

    • @Bürger L.:

      Eine Invasion des autoritären China in Taiwan zu verhindern scheint mir doch ein Wert an und für sich zu sein.

    • @Bürger L.:

      An welchen Werten orientieren Sie sich denn? Bedeutet es Ihnen irgendetwas, ihre kritische Meinung unbehelligt jederzeit und überall äußern zu können? Hat es für Sie irgendeinen Wert, dass Ihnen weder russische Folter noch chinesische Umerziehung droht? Dass es freie Wahlen gibt, mittels derer Sie zumindest ein klein bisschen mitentscheiden können, wie Sie regiert werden?



      Achwas, China, Russland, Iran, Wertewesten, alles Jacke wie Hose!

    • @Bürger L.:

      Nach ihrer Logik gibt es keine Werte, weil wenn man sie nicht immer und überall durchsetzt hat man keine. Es hunger Menschen primär in Kriegsgebieten nun außer sie wollen das die Bundeswehr in drei dutzend Ländern einmarschiert und die Nahrungsmittelversorgung sicherstellt kann man da erstmal nicht viel machen.

    • @Bürger L.:

      Regen Sie sich doch mal ab. Im Artikel wird "Wertepartner" erwähnt mit Bezug zwischen Taiwan und europäischen Staaten.



      Wenn man das vor dem Hintergrundleuchten der Folterdiktatur in China betrachtet, ist völlig klar, welche Werte gemeint sind.

      Haben Sie den Artikel überhaupt gelesen?

      • @Graustufen:

        Da kann ich Sie beruhigen, ich bin ganz entspannt und ich kann ihnen auch versichern, dass ich grundsätzlich nur Texte kommentiere die ich gelesen und verstanden habe.

        Ich habe allerdings Zweifel, ob die Interesssen der einzelnen Mitglieder der "Wertegemeinschaft" übereinstimmen.



        Insbesondere ist zu fragen, ob die europäischen Interessen im Umgang mit China und Taiwan mit denen der USA in jedem Punkt identisch sind.

        Es ist grundsätzlich schwierig eben mal so pauschal über Werte- oder Interessengemeinschaften zu reden, ohne konkret die Werte oder Interessen zu benennen die sie verbinden. So schrecken die USA ja bekanntermaßen nicht davor zurück, Europäischen Firmen mit Sanktionen zu drohen wenn´s um US-Interessen geht.

        Auch was die Sicherheitsinteressen im globalen Rahmen betrifft, wird es Zeit, dass die Europäer hinterfragen, ob die in jedem Fall zwangsläufig mit denen der USA übereinstimmen.

        Da kommt die Stunde der Wahrheit spätestens dann, wenn sich China Taiwan eines Tages wirklich einverleibt.



        Ich möchte dann die Verteidiger der "freien Welt" sehen, die wirklich bereit sind für die Freiheit der Taiwanes*innen mit militärischen oder wirtschaftlichen Mitteln zu kämpfen....

        • @Bürger L.:

          Sie sind nicht dumm, aber Sie lesen entweder nicht konzentriert und/oder schreiben ungenau.

          Sie schreiben "Zweifel, ob die Interessen der einzelnen Mitglieder der Wertegemeinschaft übereinstimmen". Das ist überhaupt nicht falsch, es ist nur nicht das, worum es im Artikel ging. Von gemeinsamen Interessen zwischen Taiwan und den europäischen Nationen wird gar nicht geschrieben, auch nicht in dem einzigen Absatz, der das Wort "Wert" erwähnt.

          • @Graustufen:

            "Knapp ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen schaut Taiwan aufmerksam auf seine viel beschworenen westlichen Wertepartner."



            Wenn in Deutschland Stimmung gegen China gemacht wird, sind "Werte" immer das 1. und wichtigste, manchmal so gar das einzige Argument. Bürger L. - sie haben leider soo recht.