Frühlingsfest in Berlin: Tanz gegen die Mullahs
In Neukölln wird am Dienstag das Frühlingsfest Nouruz/Newroz gefeiert. Gespräch mit der Initiative „Band of Sisters“ über die politische Bedeutung.
taz: Frau Kößler, Frau Amir-Khalili, was bedeutet Nouruz für Sie?
Zilan Sarah Kößler: Newroz symbolisiert für mich den Sieg des Feuers über die Dunkelheit, des Guten über das Böse. Nach einem langen Winter kommen das Licht, die Tiere, die Pflanzen und die Natur zurück. Es ist eines der ältesten Feste der Menschheit und stellt vor allem auch für die kurdische Gesellschaft eine wichtige Säule der kulturellen und politischen Identität dar. Gerade jetzt ist Newroz für uns Frauen aus Kurdistan, Iran und Afghanistan ein Symbol des Widerstands und der Freiheit.
Der „Neue Tag“ (persisch: Nouruz, kurdisch: Newroz) heißt das Neujahrs- und Frühlingsfest, das seit über 3.000 Jahren vor allem in kurdischen, iranischen und afghanischen Gebieten am 20. oder 21. März gefeiert wird. In der Türkei war das Fest jahrelang verboten; erst im Jahr 2000 wurde das Verbot aufgehoben. Im Iran scheiteren die Mullahs 1979 nach der Machtübernahme mit ihrem Verbotsversuch.
Band of Sisters ist eine Gemeinschaft von Frauen, die „das orientalische Know-how“ bewahren und weitergeben wollen. Die Initiative hat einen Bezug zu Gärten und Heilkräutern. Band of Sisters ist ein Projekt des 2015 gegründeten Vereins Flamingo, der geflüchtete Frauen* unterstützt, den Heilkräutergarten „Hevrîn Xelef“ in Neukölln betreibt sowie Rechtsberatung. Flamingo e. V. ist ein Partnerinnenprojekt des kurdischen Frauendorfs Jinwar in Nordsyrien (Rojava).
Die Feier findet am 21. März 2023 ab 18 Uhr in der Spore Initiative in Neukölln, Hermannstraße 84-90.
Anuscheh Amir-Khalili: Als kleines Kind im Iran habe ich mich immer wahnsinnig auf Nouruz und auf das Feuerfest ein paar Tage davor gefreut. Das gehört mit zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen, die sonst eher von der Islamisierung, Krieg und Gewalt begleitet waren. Die Menschen springen über Feuer und lassen die Altlasten zurück, die Kinder kriegen Geschenke und alle sind – eigentlich – glücklich. Nach der Islamischen Revolution hat das Regime versucht, das Fest zu verbieten. Trotz aller Drohungen und Kontrollen der Mullahs haben die Familien aber weiter gefeiert.
Was hatten die Mullahs mit dem Verbot von Nouruz beabsichtigt?
Despoten, die ein System übernehmen versuchen alles Alte zu zerstören. Dieses Fest hat alles, was die Mullahs hassen: tanzen, singen, Frauen und Männer, die zusammen sind. Vergangene Woche haben Menschen in Teheran abends auf den Straßen Feuer gemacht, sind um das Feuer getanzt, und Frauen haben ihre Kopftücher abgerissen und ins Feuer geschmissen. Die machen das, obwohl sie wissen, dass das den Tod bedeuten kann. Singen und Tanzen sind verboten!
Ist Nouruz ein feministisches Fest?
Anuscheh Amir-Khalili (45) ist Kamerafrau. Sie wurde im Iran geboren.
Zilan Sarah Kößler (30) ist Kinder- und Jugendtherapeutin. Die Kurdin wurde in der Türkei geboren.
Kößler: Rund um die Newroz-Feuer kommen wir Frauen zusammen und organisieren uns gegen Patriarchat und Unterdrückung. Für mich ist das diesjährige Newroz die Geburt des Widerstands der Schwestern, die in Iran, Kurdistan und Afghanistan gegen Dunkelheit und Unterdrückung kämpfen. Das Feuer des Widerstands unserer Schwestern erreicht uns auch hier in Berlin.
Amir-Khalili: Frauen, Leben, Freiheit ist das, was uns verbindet. Es geht um feministischen Widerstand. Immer wurde versucht, die kurdische Sprache mit allen Mitteln zu verbieten, und dann kommt diese kurdische Parole „Jin, Jiyan, Azadi“ und geht um die Welt. Aus der Sicht des weißen, eurozentristischen Feminismus ging es immer um die armen unterdrückten Frauen, die sich nicht wehren können – anstatt zu sehen, dass diese Resilienz, dieses Durchhaltevermögen eigentlich eine unfassbare Stärke ist und als ebenbürtiger Feminismus betrachtet werden kann. Das ist eine ganz andere Art von Feminismus.
Was haben die Menschen bei Ihrem Fest zu erwarten?
Amir-Khalili: Alle sind eingeladen, die sich für die aktuelle Situation in Iran, Kurdistan und Afghanistan interessieren. Die kurdisch-iranische Sängerin Hani Mojtahedy tritt auf und die Autorin Gilda Sahebi. Es wird eine Live-Übertragung aus dem Frauendorf Jinwar geben. Es geht um Solidarität, weil dort etwas Einmaliges passiert: eine feministische Revolution. Wir müssen mit unseren Privilegien, die wir hier haben, Allianzen bilden. Dieses Fest soll auch ein Auftakt sein, um sich regelmäßig zu treffen und zu überlegen, was für Kampagnen und Kundgebungen wir machen können, welche Möglichkeiten des Austauschs es gibt, um die Frauen aus Gebieten wie Iran oder Kurdistan sichtbar zu machen.
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