Koalitionsverhandlungen in Berlin: Nur ein halbherziger Appell

Die Grünen fordern die SPD-Basis auf, beim Mitgliederentscheid gegen die Koalition mit der CDU zu stimmen. Dafür müssten die Grünen etwas mehr tun.

Franziska Giffey und Kai Wegner schauen sich an

Schauen schon fast ein bisschen verliebt: Kai Wegner und Franziska Giffey am Donnerstag Foto: dpa

Über manche Dinge sollte man länger nachdenken, bevor man sie ausspricht. Das gilt auch für den Appell des grünen Fraktionschefs Werner Graf an die Basis der Berliner SPD, eine Koalition mit der CDU beim Mitgliedentscheid abzulehnen. „Ihr habt es noch in der Hand“, erklärte er beim Parteitag. Aber stimmt das? Und wenn ja: Was haben die Mitglieder in der Hand?

Eigentlich nur die Wahl zwischen der Regierung mit der CDU und der Opposition. Denn realistisch betrachtet dürfte ein Nein zum Koalitionsvertrag ein politisches Erdbeben in der SPD auslösen, an dessen Ende vom aktuellen Parteivorstand wenig übrig bleiben würde. Es wäre auch das wahrscheinliche Ende der Berliner Karriere von Franziska Giffey und Raed Saleh. Denn es war die aktuelle Führung der Partei, die nicht nur die Verhandlungen mit der CDU vorgeschlagen, sondern mit kruden Vorwürfen an Grüne und Linke nach den Sondierungen auch das Tischtuch zwischen den bisherigen Regierungsparteien zerschnitten hatte.

Wenn diese Führung beim Entscheid im April weggefegt würde – wer sollte dann eine alternative Koalition mit Grünen und Linken führen, in der noch dazu die SPD (hauchdünn) stärkste Kraft wäre? Wer würde plötzlich Regierende Bürgermeister*in? Nein, die SPD wäre auf längere Zeit erst mal mit sich selbst beschäftigt.

Zum Zweiten – und hier kommen wieder Werner Graf und die Grünen ins Spiel – wäre nach einer solchen Ablehnung die näher liegende Option Schwarz-Grün. Diese Koalition ist, nach dem verbalen Geholze von Giffey und Co, sogar wahrscheinlicher geworden als vor der Wahl, weil sie vor allem den Realo-Grünen allzu gute Argumente dafür geliefert hat.

Soll der grafsche Satz, wonach die SPD-Basis „es noch in der Hand habe“, also mehr als eine wohlfeile politische Phrase einer Opposi­tionspartei sein, muss darauf eine Koalitionsaussage für Rot-Grün-Rot folgen. Sie muss zudem eindeutiger sein als die Aussagen, man habe ernsthaft mit SPD und Linke sondiert. Das taten die Grünen angeblich auch mit der CDU.

Noch Zeit bis Ende März

Wenn die SPD-Basis es am Ende wirklich in der Hand haben soll, die Stadt vor einer Regierung mit Beteiligung der CDU zu bewahren, müssen auch die Grünen etwas dafür tun. Ansonsten liefern sie mit solchen Aussagen nur ein weiteres Argument für all jene in der SPD, die schon jetzt sagen, die Grünen hätten eigentlich selbst die Juniorpartnerschaft mit der CDU angestrebt – und seien nun vor allem sauer, weil die SPD schneller zugesagt habe. Immerhin: Für die Koalitionsaussage haben die Grünen noch bis Ende März Zeit. Dann wollen CDU und SPD ihren Vertrag präsentieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.