Neue LNG-Terminals vor Rügen: Europas „größtes fossiles Projekt“

Vor der Ostseeinsel Rügen sollen riesige LNG-Terminals entstehen. Umweltverbände sorgen sich um das Klima, die Natur und den Tourismus vor Ort.

Seebrücke im Badeort Sellin

Wenn sich der Nebel in Sellin verzieht, reicht der Blick bald auf einen riesigen LNG-Terminal Foto: Stefan Sauer/dpa

BERLIN taz | Auf Rügen werden schon erste Vergleiche mit dem Fährhafen Mukran und der NS-Ferienanlage Prora laut – riesige Bauwerke, die bis heute die Ostseeinsel prägen. Noch gibt es keine konkreten Planungen für die Flüssiggasterminals vor der Küste Rügens.

Aber Landesregierung und Umweltverbände schlagen bereits Alarm wegen des Projekts, das nach dem Wegfall der Lieferungen aus Russland für Energiesicherheit sorgen soll: Vor der Südküste Rügens solle „das größte fossile Projekt Europas entstehen“, warnte die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Die neuen LNG-Terminals seien völlig überdimensioniert und schädlich für Umwelt und Tourismus. Von einem „erheblichen Eingriff“ sprach auch Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD).

Aktuell plant der Energiekonzern RWE eine 38 Kilometer lange Pipeline durch den Greifswalder Bodden vom Ostseehafen Lubmin zu einem neuen Offshore-Terminal etwa 4,5 bis 6,5 Kilometer vor dem Badeort Sellin im Südosten Rügens. Hier sollen zwei Plattformen gebaut werden, an denen mehrere schwimmende Flüssigerdgas-Terminals (FSRU) festmachen können. Dort soll das tiefgekühlte flüssige Erdgas aus den LNG-Tankern in gasförmige Energie umgewandelt werden.

Das erste Gas könnte bereits im Herbst 2023 hier landen. Nach Abschluss einer zweiten Ausbaustufe bis Herbst 2024 soll es eine Kapazität zum Import von jährlich bis zu 38 Milliarden Kubikmeter Gas haben. Zum Vergleich: Deutschland hat im vergangenen Jahr etwa 90 Milliarden Kubikmeter verbraucht.

Minister Meyer will andere Standorte prüfen lassen

„Die geplanten Kapazitäten sind auch gemessen an den Projekten in Wilhelmshaven oder Brunsbüttel gigantisch“, sagte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Die zwei im Dezember und Januar in Betrieb genommenen Terminals haben eine Kapazität von jeweils etwa 5 bis 7,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr. Im Elbehafen Brunsbüttel legte am Dienstag der erste Tanker mit tiefgekühltem flüssigen Erdgas an.

Die Verbrennung des vor Rügen angelandeten Gases setze rund 80 Millionen Tonnen CO2 frei, rechnete die DUH vor – das entspricht fast einem Zehntel der Jahresemissionen Deutschlands.

RWE will Mitte Mai mit dem Bau beginnen. Bis dahin müsse der Bund noch das sogenannte LNG-Beschleunigungsgesetz ändern, sagte Landesminister Meyer. Die Möglichkeit, schnell Offshore-Plattformen zu bauen, sei dort noch nicht vorgesehen. Die Auswirkungen auf Tourismus und Naturschutz müssten dringend untersucht werden, betonte Meyer. Er habe den Bund gebeten, alternative Standorte zu prüfen.

Insgesamt sind an Nord- und Ostsee derzeit 10 LNG-Terminals fertiggestellt oder geplant, die insgesamt viel mehr Gas liefern können als benötigt wird. Die Bundesregierung rechtfertigt die Überkapazitäten damit, dass über Deutschland auch andere Länder sicher mit Gas versorgt werden sollten.

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