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Projekte der taz Panter StiftungEin „Nugget“ Glück im ganzen Elend

Die taz Panter Stiftung hat als Reaktion auf den russischen Angriffs­krieg osteuropäische Jour­na­lis­t:in­nen in einem Projekt zusammengebracht.

Solidarität mit der Ukraine nach dem Einmarsch der russischen Armee am 11.03.2022 in Berlin Foto: C. Spicker/AdoraPress

Ein Jahr Krieg. Ein Jahr Krieg, das heißt für die Opfer all das, was wir uns nicht vorstellen und was sie nur selbst erzählen können. Es heißt für uns, für die auf der anderen Seite: Nachdenken und Mitgefühl, in vielen Fällen auch Hilfe und Engagement. Wie sehr beschäftigt mich die Ukraine, was tue ich für die Leute dort und die Geflüchtete hier, und nehme ich sie zum Beispiel in die Wohnung auf, oder überlasse ich die Hilfe anderen Leuten? Gebe ich Geld, gebe ich Zeit, gebe ich ein Zeichen?

Das können wir selbst entscheiden, und das ist der wahre Luxus in der politischen Nachbarschaft im Frieden nach einem Jahr Krieg.

Hier und jetzt, zu diesem Tag, machen wir dreierlei: Wir geben Betroffenen das Wort. Wir geben Nino Haratischwili das Wort. Und wir erzählen, was diese Stiftung macht. Mit einer schönen Pointe am Schluss.

Schutzwesten und Förderung kritischer Medien

Die taz Panter Stiftung hat auf den Krieg schnell reagiert, ihrem Auftrag gemäß, indem sie schaute: Wer braucht jetzt Hilfe, um zu schreiben, zu reisen, zu berichten? Wer braucht Schutz, wer braucht Geld, wer sucht eventuell nach einer Erweiterung des Netzwerks?

Die erste Aktion war die dringlichste: Schutzwesten liefern. Einen Beitrag zu leisten zum physischen Überleben von Menschen, die sich in Gefahr begeben, um ihre Arbeit zu tun. In den ukrainischen Städten unter Bombardierung, in den Zonen der Besatzung im Osten des Landes und, diese Formulierung lässt sich nicht vermeiden, auch an der Front.

Dann ging es um Unterstützung, wie man sie Freunden gewährt: Man fragt, was sie brauchen, und lässt sie tun, was sie für richtig halten. Nach dieser Devise hat die taz Panter Stiftung kritische Medien in Russland, in Belarus und in der Ukraine gefördert. Genauer: SIE haben das getan; alle Spender, alle Unterstützer. Mit Ihrem Geld, mit Ihrem Wohlwollen – denn wer kein Geld, aber Wohlwollen hatte, der beteiligte sich an der Wortspenden-Aktion. 200.000 Euro, tausend gute Worte in drei Sprachen, das war eine Bilanz des vergangenen Jahres, ab dem 24. Februar.

Tagebuch „Krieg und Frieden“

Und schließlich die dritte Aktion: das kollektive Tagebuch „Krieg und Frieden“. Stimmen aus dem postsowjetischen Raum, aus unmittelbaren Kriegsgebieten; aus einer Region, kurz gesagt, in der Menschen zum Teil anders auf die Welt blicken als wir. In denen anders gelebt, gedacht und erinnert wird. Aber in diesen Ländern wird dasselbe gewünscht, nämlich das humane Minimum: Frieden. Und ein politisch selbstbestimmtes Leben. Auch wenn eben das erkämpft werden muss.

Das ging allerdings gar nicht so, wie wir uns das im diskursfrohen Berlin naiverweise dachten: -Dass die Ta­ge­buch­schrei­be­r:in­nen spontan ins Gespräch kommen würden. Dass sie sich ergänzen, befragen, ins Wort fallen. Nicht nur, weil die Au­to­r:in­nen mit Eigenem beschäftigt sind – mit eher abstrakten oder konkreten Befürchtungen, mit Sorge für den Körper, den Geist und die Moral –, sondern es fehlte am Ausgangsstoff jeden Gesprächs: Es brauchte eben ein Grundvertrauen. Vertrauen in dieses Experiment.

Aus allen diesen Orten schreiben Jour­na­lis­t:in­nen für das Tagebuch „Krieg und Frieden“

Da ist jemand in Sankt Petersburg, in Odessa, in Minsk, in Tbilissi, in Wladikawkas, mit dem ich frei sprechen kann. Ich habe den Kopf im Krieg, die andere Person aber hat ihren Körper dort. Oder: Ich habe den Krieg im Kopf, er aber hat neue Gedanken. Da ist jemand – in Jerewan, in Riga, in Lwiw – der anderes weiß als ich, anderes erlebt und anderes fürchtet, aber von der ich gewiss sein darf: Wir können einander vertrauen.

Ein Workshop in Berlin

Der vierte Schritt der Stiftung war, diese Jour­na­lis­t:in­nen nach Berlin zu einem Workshop einzuladen und einen geschützten Raum anzubieten. Uns war besonders wichtig, dass Vertrauen entstehen kann. Fünf Tage lang wurde diskutiert, ausgetauscht, gefeiert und geschrieben. Und damit ging es zur Pointe, zu einem „Nugget“ Glück im ganzen Elend. „Die Türen offen halten“, so hieß die taz-Beilage, die aus diesem Treffen im November entstand.

Wie misst man aber da einen „Erfolg“, woran merkt man, dass Vertrauen entstand? Es gibt ein untrügliches Zeichen: Wenn man gemeinsam lachen, wenn man einen Witz machen kann, der niemanden kränkt und alle erlöst – dann ist Vertrauen da. Denn Humor kann man nicht dirigieren, auch nicht beschwören; er ist der vielleicht schönste, sicher aber leichteste Überschuss wirklicher Verständigung. Ein kleines Vertrauenswunder, erst recht unter diesen Umständen.

Und so ist es gewesen: Bei der Abschlussrunde, wo jede/r noch einmal sagte, wie ihm zumute ist und wie es womöglich weitergeht: Da war, nach Alphabet sortiert, eine Journalistin aus Russland als Erste dran. Sie fragte, mit skrupulöser Höflichkeit, ob es denn allen recht sei, wenn ausgerechnet sie aus dem Angreiferland, aus der Kriegsnation hier buchstäblich den Ton angebe?

Und da sagte einer aus der Tiefe des Raums: Ihr habt den Krieg angefangen, dann kannst du auch mit der Feedbackrunde anfangen. Und es wurde gelacht. Neue Beiträge aus dieser Tagebuchgruppe gibt es hier. Und wenn beim Lesen jählings der Wunsch aufkommt, eine Stiftung zu unterstützen, die solche Projekte macht: Bitte nicht zögern. Wir danken, und wir machen mit allem weiter.

Elke Schmitter ist Kuratoriumsmitglied der taz Panter Stiftung

Dieser Text ist Teil der taz Panter Beilage zur taz-Sonderausgabe „Ein Jahr Krieg in der Ukraine“

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