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Keine Bühne für Pistorius

Bei seinem Polen-Besuch erhält der deutsche Verteidigungsminister kaum Resonanz

Aus Warschau Gabriele Lesser

Eigentlich hatte Deutschlands neuer Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auf seiner ersten großen Auslandsreise in die Ukraine und nach Polen ein positives Zeichen für die deutsche „Zeitenwende“ in der Verteidigungspolitik setzen wollen. Doch angesichts der angekündigten russischen Frühjahrsoffensive gegen die Ukraine klingen „178 Leopard-1-Panzer“, die innerhalb von zwei Jahren aus deutschen, dänischen und niederländischen Beständen an die Ukraine geliefert werden sollen, nicht gerade überwältigend.

Polen hat allein in den ersten zwölf Monaten des russischen Angriffskrieges auf die U-kraine dem Nachbarland 250 Kampfpanzer sowjetischer Bauart zur Verfügung gestellt und will nun weitere 40 polnisch modernisierte sowie 14 Leopard-2A4-Panzer deutscher Produktion liefern. Im Anschluss an Polen will auch Deutschland die Ukraine bis Ende März mit 14 modernen Leopard-2A6-Panzern unterstützen. Themen für deutsch-ukrainische und deutsch-polnische Verteidigungs-Konsultationen gibt es also genug.

Doch der Besuch von Pistorius in Polen, wo er am Montag unter großer Geheimhaltung die international größte Drehscheibe für Waffenlieferungen an die Ukraine in Rzeszow inspizierte, dann in der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw, wo er mit Präsident Wolodimir Selenski und Verteidigungsminister Olexji Resnikow zusammentraf, und am Mittwoch erneut in Polen, wo er sich mit seinem polnischen Amtskollegen Mariusz Blaszczak austauschte, blieb der polnischen Öffentlichkeit weitgehend verborgen.

Das hatte auch damit zu tun, dass das Verteidigungsministerium in Warschau die polnischen Medien nicht über den geplanten Besuch von Boris Pistorius informierte, der deutsche Verteidigungsminister dann aber auch noch das Pech hatte, dass sich sein Zug auf der Fahrt durch das Kriegsgebiet um mehrere Stunden verspätete.

Dennoch wäre ein gemeinsamer Auftritt von Pistorius und Blaszczak in Zamosc eigentlich möglich gewesen. Dort sind bereits zwei von drei zugesagten deutschen Patriot-Raketenabwehrstaffeln stationiert, samt mehreren hundert deutschen Soldaten, die die Nato-Ostflanke an der polnisch-ukrainischen Grenze verteidigen sollen.

Doch die Politiker der regierenden nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zeigen sich zwar gerne mit US-amerikanischen Soldaten, die in Polen stationiert sind, vermeiden dies aber mit deutschen Soldaten – insbesondere dann, wenn diese Treffen eine gute deutsch-polnische Zusammenarbeit suggerieren könnten.

Denn in Polen hat der Wahlkampf zu den Parlamentswahlen im Herbst schon begonnen, und die PiS will sich trotz des Krieges im Osten als Verteidiger gegen den angeblichen Feind Deutschland profilieren.

Parteichef Jaroslaw Kaczynski wird nicht müde, erneut Reparationen und Entschädigungen von Deutschland für die Nazi-Okkupation 1939-1945 zu fordern. Obwohl Polen als Staat die zweithöchsten Reparationsleistungen nach der Sowjetunion und seine Bürger die zweithöchste Summe an humanitären Hilfen nach Israel erhalten hat, behaupten Kaczynski und seine Anhänger bei jeder Gelegenheit, dass Polen von den Deutschen „nichts“ bekommen habe.

Zudem hätten sich die Deutschen bis heute ihrer Vergangenheit nicht gestellt und versuchten teilweise sogar, den Polen die Schuld am Holocaust zu geben. Da fällt es natürlich schwer, dem deutschen Partner in EU und Nato vor laufenden Kameras die Hand zu reichen. Die Pressepolitik gestaltet der Gastgeber, und für Boris Pistorius sah weder der polnische Verteidigungsminister noch ein anderer PiS-Politiker einen gemeinsamen Auftritt oder auch nur ein gemeinsames Bild vor.

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