Mobilitätswende in Berlin: Parkplätze auch für Fahrräder
Seit Januar darf man am Straßenrand, wo Autofahrer beim Parken zahlen, sein Rad kostenfrei abstellen. Die Verkehrswende treibt auch den Wahlkampf um.
Denn: Seit Januar können alle, die das wollen, ihr Fahrrad kostenlos auf dem Rand der Fahrbahn parken. Also da, wo in den allermeisten Fällen Autos abgestellt sind. Als die von der Grünen Bettina Jarasch geführte Senatsverwaltung für Verkehr dies anlässlich einer Änderung der Parkgebühren-Ordnung verkündete, wurde es von vielen so verstanden, als bestehe die Neuerung darin, dass Velos jetzt auch auf „Auto-Parkplätzen“ stehen dürfen.
Weit gefehlt allerdings, denn laut Straßenverkehrsordnung war das schon immer erlaubt. Vielmehr lautete die Erkenntnis: Hätten irgendwelche Radfahrende das tatsächlich schon getan, hätten sie in kostenpflichtigen Zonen einen Parkschein ziehen müssen. Bloß dass bislang, nach allem, was man hört und sieht, sowieso niemand auf diese verwegene Idee gekommen war.
Auch weiterhin fällt es niemandem ein, in der Hauptstadt des Fahrraddiebstahls (ca. 25.000 gemeldete Fälle pro Jahr) ein Fahrrad so zu parken, dass jemand es wegtragen kann.
Wenn überhaupt, werden die vermeintlich neue Erlaubnis und die tatsächlich neue Gebührenbefreiung nur für Lastenfahrräder oder aber Motorräder genutzt werden. Dass auch Letztere – nicht gerade bekannt als Vehikel des Klimaschutzes – kostenfrei parken sollen, ist nicht nachzuvollziehen. Genauso wenig wie die Ankündigung der Mobilitätssenatorin, geparkte Fahrräder seien auf Gehwegen nur geduldet und sollten von dort „endlich verschwinden“. Das mit der Duldung ist sachlich falsch (laut StVO dürfen die das), und sie von dort verbannen zu wollen, wo sie seit Jahr und Tag meist völlig unbeanstandet stehen, konterkariert die Idee der Verkehrswende.
Mit harten Bandagen geführte Debatte
In Wirklichkeit baut die Verwaltung ja auch Fahrradbügel auf selbige Gehwege, damit das Velo nicht mehr an der Laterne hängen muss. Wahrscheinlich war der Parkplatz-Move ein leicht verunglückter Fingerzeig an eine andere Lobby: die der FußgängerInnen und der Menschen mit Behinderungen, die sich seit Jahren über E-Scooter und Leihfahrräder ärgern, die überall herumfliegen und Wege versperren. Mittlerweile wird die Branche stärker reguliert, gelöst ist das Problem längst nicht.
All das ist ein kleiner Ausschnitt aus einer Mobilitäts-Debatte, die in Berlin mit harten Bandagen geführt wird, gerade jetzt im Wiederholungswahlkampf. Wer bekommt mehr Platz, wer verteidigt seinen, wer wird ausgebremst, wer hat freie Fahrt? Die Pressure-Groups für autofreie Mobilität sind an Spree und Havel stark. Die mitregierenden und in der Sache zuständigen Grünen wollen irgendwie dasselbe, kommen aber mit der Umsetzung – gerade beim Bau von Fahrradinfrastruktur – nur schleppend voran.
Bald soll alles besser werden, versprechen sie und ihre Spitzenkandidatin Jarasch: Mittlerweile habe man genug Personal akquiriert und die Abläufe effizient gestaltet. Wie viele ihnen das Versprechen abnehmen, dass die Stadt bis spätestens 2030 völlig anders tickt bzw. rollt, auch das wird sich am 12. Februar zeigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!