Taliban verbieten Verhütungsmittel: Frauen und Kinder zuletzt

In Teilen Afghanistans verbieten die Taliban Verhütungsmittel. Angesichts von Hunger, Armut und Entrechtung kann das für Frauen den Tod bedeuten.

Eine Frau hängt bunte Kleidung an einem Marktstand auf

Noch gibt es weibliche Berufstätigkeit in Afghanistan: Verkäuferin auf dem Frauenbasar in Herat Foto: Fabira Akbari/dpa

Die Taliban in Afghanistan gehen, zunächst (noch) im Lokalen, gegen Verhütungsmittel vor: Deren Anwendung sei „haram“ – nach den Regeln des Koran verboten. Das stimmt in dieser Einfachheit nicht und ist über Jahrhunderte immer wieder von muslimischen Gelehrten diskutiert worden. Der Konsens heute, knapp zusammengefasst: Verhütung ist gestattet, solange beide Partner zustimmen und die Methode reversibel ist, auch wenn es im Allgemeinen erwünscht ist, Kinder zu bekommen.

Die Auslegungsdebatte ist freilich zweitrangig, wenn man das aktuelle Verhütungsmittelverbot vor dem Hintergrund der Nachrichten betrachtet, die in den letzten Monaten aus Afghanistan kommen: In der Provinz Balkh wird es Frauen verboten, einen männlichen Arzt aufzusuchen, weitere könnten folgen. Frauen wird der Zugang zu höheren Schulen und Universitäten verboten, ob auch Medizinstudentinnen betroffen sind, ist noch nicht klar. Es gibt aber Berichte, dass ihnen – im Gegensatz zu den männlichen Kollegen – ihre Zeugnisse nicht mehr ausgestellt werden.

Von Arbeitsverboten für Frauen ausgenommen sind zwar die, die im Gesundheitssektor arbeiten, doch die nächste Einschränkung lässt nicht lange auf sich warten: In der Provinz Kandahar dürfen Frauen nur noch in Begleitung ihres männlichen Quasi-Vormundes, genannt Mahram, den Weg zur Arbeit antreten. In Kabul müssen in Krankenhäusern arbeitende Frauen sich das Gesicht verhüllen. In einem Artikel des afghanischen Medienportals Rukhshana fragt ein Mediziner: Wie soll eine Ärztin so operieren?

Als Frau medizinische Hilfe zu erhalten, gleicht immer mehr einem Spießrutenlauf. Seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 steigt die Mütter- und Kindersterblichkeit deutlich an, von 100.000 Müttern sterben nun über 600 bei der Geburt. Auch die Armut in Afghanistan nimmt zu, selbst wenn medizinische Versorgung verfügbar ist, muss sie bezahlt werden. Bei einer Umfrage von Ärzte ohne Grenzen geben 95 Prozent der Teilnehmenden an, sie hätten Schwierigkeiten, sich ausreichend Nahrungsmittel zu leisten. Manche Frauen seien so unterernährt, dass sie keine Muttermilch produzieren könnten, berichtet die Zivilorganisation.

Im Hinblick auf die sich immer weiter verschlechternde medizinische Versorgungslage, die Armut, den Hunger, steht fest: Keinen Zugang mehr zu Verhütung zu haben, wird für manche Frauen und ihre Kinder letztlich den Tod bedeuten. Auch den Taliban muss dieser Zusammenhang bewusst sein. Das Leben von Frauen ist für sie schlicht zweitrangig.

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Redakteurin im Auslandsressort. Meistens Westeuropa, manchmal Westasien

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