Sturm auf Kongress in Brasilien: Chaos in Brasília
Anhänger*innen von Bolsonaro haben Regierungsgebäude und den Obersten Gerichtshof verwüstet. Der Ex-Präsident äußerte sich auf Twitter.
Am 30. Oktober hatte der Rechtsextreme Bolsonaro die Stichwahl gegen den Sozialdemokraten Luiz Inácio Lula da Silva verloren. Seit der Niederlage demonstrieren die Anhänger*innen Bolsonaros gegen die Wahlergebnisse. Vor einer Woche, am Neujahrstag, war Lula in Brasília feierlich vereidigt worden.
Die Bilder aus Brasiliens Hauptstadt erwecken Erinnerungen an den Sturm aufs Kapitol vom 6. Januar 2021 in den USA. Damals versetzten völlig radikalisierte Anhänger*innen von Ex-Präsident Donald Trump die US-amerikanische Hauptstadt Washington in Angst und Schrecken.
Am Nachmittag hatten Bolsonaro-Anhänger*innen Absperrungen überwunden und waren auf das Dach des Parlaments vorgerückt. Im Kongressgebäude befinden sich der Senat und das Abgeordnetenhaus. Danach zogen einige Demonstrant*innen auch zum Obersten Gerichtshof, zerstörten dort Scheiben und Möbel und drangen in die Lobby vor. Das Gericht hatte Bolsonaro während seiner Amtszeit immer wieder die Grenzen aufgezeigt und gilt als Feindbild der radikalen Rechten.
Bolsonaro verurteilt Überfälle
Die Angreifer*innen stürmten auch den Regierungssitz Palácio do Planalto, den offiziellen Arbeitsplatz des Staatsoberhaupts. Präsident Lula befand sich zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht in dem Gebäude, er war auf Dienstreise im Bundesstaat São Paulo. Der ehemalige Gewerkschafter bezeichnete die Angriffe in einer Stellungnahme als „Barbarei“ und nannte die Eindringlinge „Faschisten“. Er versprach lückenlose Aufklärung und verkündete, die Hintermänner der Angriffe zur Rechenschaft zu ziehen. Lula ordnete zudem per Dekret an, dass die Regierung die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit in der Hauptstadt übernimmt.
Ex-Präsident Bolsonaro äußerte sich auf Twitter. „Friedliche Demonstrationen sind Teil der Demokratie. Plünderungen und Überfälle auf öffentliche Gebäude, wie sie heute stattgefunden haben, fallen jedoch nicht darunter“, schrieb er. Während seiner Amtszeit habe er sich stets an die Verfassung gehalten und die Demokratie verteidigt. Allerdings beschuldigen ihn viele, die Proteste angestachelt zu haben.
Bolsonaro hat seine Wahlniederlage bisher nicht anerkannt. Er befindet sich derzeit in den USA und nahm – entgegen den Gepflogenheiten – nicht an der Amtsübergabe Lulas teil. Vor seinem Abflug rief er zum Widerstand gegen die Lula-Regierung auf. Während seiner Amtszeit attackierte er immer wieder die demokratischen Institutionen, beschimpfte Journalist*innen und verherrlichte die Verbrechen der Militärdiktatur.
Kritik an Sicherheitskräften
Erst nach mehreren Stunden gelang es den Sicherheitskräften, die Demonstrant*innen zurückzudrängen. Die Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein. Laut Justizminister Flávio Dino sollen mindestens 200 Personen verhaftet worden sein.
Scharfe Kritik an Teilen der Sicherheitskräfte wird laut: Videos in sozialen Medien zeigen, wie Polizist*innen friedlich mit den rechtsextremen Demonstrant*innen zusammenstehen, Selfies machen und sie nicht daran hindern, die Gebäude zu stürmen. Der Gouverneur von Brasília, Ibaneis Rocha, ein Anhänger Bolsonaros, entließ noch am Sonntagabend den Sicherheitschef der Hauptstadt. Doch auch Rocha steht in der Kritik. Verfassungsrichter Alexandre de Moraes ordnete in der Nacht von Sonntag auf Montag an, ihm sein Amt zu entziehen.
In rechtsradikalen Netzwerken werden die Angriffe gefeiert. Und Bolsonaro-Anhänger*innen wollen weiterhin Widerstand gegen die neue Regierung leisten. In mehreren Städten begannen Demonstrant*innen damit, Autobahnen zu blockieren. Am Montag wollen Bolsonaro-Gegner*innen auf die Straße gehen. Es dürften heiße Tage in Brasilien werden.
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