Fall Abdullohi Shamsiddin: Abschiebung vor dem Beweis

Weil das Gericht ihm nicht glaubt, wird ein Flüchtling nach Tadschikistan zurückgezwungen. Ein DNA-Test, der seine Aussagen bestätigt, kommt zu spät.

Flugzeug vor Wolkenhimmel

Der Abschiebeflug hat abgehoben (Archivbild) Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

BOCHUM taz | Trotz drohender Folter hat am Mittwoch die Abschiebung des nach Dortmund geflohenen Tadschiken Abdullohi Shamsiddin in sein Ursprungsland begonnen. Der 32-Jährige sei in Düsseldorf in ein Flugzeug gesetzt worden, dass kurz nach 11 Uhr in Richtung Istanbul gestartet sei, sagten nicht nur Un­ter­stüt­ze­r:in­nen Shamsiddins der taz. Auch die Stadt Dortmund, deren Ausländerbehörde die Abschiebung federführend betrieben hatte, bestätigte dies: „Die laufende Abschiebemaßnahme“ werde „durch drei Bundespolizisten begleitet“.

Von Istanbul aus solle Shamsiddin am Abend weiter in Richtung der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe transportiert werden, erklärte die Dortmunder Fotografin Cornelia Suhan, Kopf eines Unterstützer:innen-Netzwerks.

Und dort drohen Shamsiddin jahrzehntelange Haft und Folter. Denn er ist nicht nur Mitglied der ehemals größten Oppositionspartei IRPT, die vom Regime des autokratischen Präsidenten Emomalij Rahmon 2015 verboten wurde. Auch erwartet ihn Sippenhaft: Sein Vater Shamsiddin Saidov, der als anerkannter Flüchtling in Aachen lebt, gilt als hochrangiger Kader der nichtextremen „Islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistans“. Deren Funktionäre wurden im Staatsfernsehen nicht nur mit deutlichen Spuren von Misshandlungen vorgeführt. Ihnen droht auch jahrzehntelange Haft.

Trotzdem hat am 6. Januar ein Einzelrichter des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen Shamsiddins dritten Asylantrag abgelehnt. Begründet wurde dies nicht nur mit einer falschen Identität, mit der Shamsiddin – nach eigenen Angaben aus Furcht vor Verfolgung durch das tadschikische Regime auch in Deutschland – bis 2022 in Dortmund gelebt hat. Das Gericht bezweifelte zudem, dass er überhaupt der Sohn des als Flüchtling anerkannten oppositionellen IRPT-Kaders Shamsiddin Saidov ist.

„Nicht fair und rechtsstaatlich problematisch“

Ein DNA-Test, der dies beweist, wurde von den Behörden nicht abgewartet. Besonders bitter: Das Ergebnis erreichte die Un­ter­stüt­ze­r:in­nen am Mittwochmittag. Zwar ergab die Laboruntersuchung „eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit größer als 99,9999 Prozent“ – doch Abdullohi Shamsiddin saß da schon eine Stunde im Abschiebeflieger.

„Das Ergebnis des DNA-Tests hätte auf jeden Fall abgewartet werden müssen“, kritisiert deshalb nicht nur Sebastian Rose vom Abschiebungsreporting NRW: Das dritte, in nur 48 Stunden abgeschlossene Asylverfahren sei „nicht fair und rechtsstaatlich problematisch“ abgelaufen. „Das Gericht muss die laufende Abschiebung sofort stoppen“, forderte auch die Unterstützerin Cornelia Suhan am Mittwochnachmittag.

„Abdullohi muss sofort eine neue, faire Chance bekommen“, sagte sie. Bis zur Landung des Abschiebeflugs in Tadschikistans Hauptstadt Duschanbe, bis zur Übergabe Shamsiddins in die Hände des Folter-Regimes blieben da noch 10 Stunden Zeit.

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