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Giffey gibt sich grün

Beim Wahltalk in der taz-Kantine lobt Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) ihre Klimapolitik

Von Susanne Memarnia

Während die Linkspartei im Wahlkampf ein Enteignungsgesetz innerhalb eines Jahres fordert, tritt Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) auf die Bremse. Man müsse erst einmal den endgültigen Bericht der Enteignungskommission abwarten, sagte die SPD-Spitzenkandidatin beim ersten taz Wahltalk am Freitagabend in der taz-Kantine in Berlin-Kreuzberg.

Zwar schloss sie nicht aus, dass es ein solches Gesetz unter ihrer Regierung geben könnte, aber noch sehe sie das nicht: „Ich werde nichts tun, was die Gefahr birgt, dass wir vor dem Verfassungsgericht erneut eine Klatsche bekommen, und ich werde auch nichts tun, was das Land Berlin in erhebliche finanzielle und rechtliche Schwierigkeiten bringt.“

Auf die Nachfrage aus dem Publikum, warum sie die Mie­te­r:in­nen der Stadt nicht mit einem Enteignungsgesetz entlasten wolle – in der dahinterstehenden Annahme, dass nach Enteignungen die Mieten sinken werden –, entgegnete Wahlkämpferin Giffey, sie sei nicht der Meinung, dass Enteignungen „nur eine einzige Wohnung hier in Berlin schaffen“. Der „akute Wohnraummangel“ werde nur durch Neubau und Investitionen gelöst.

Bei Teilen des Publikums stieß dies auf lautstarke Kritik: „Zu teuer“ seien Neubauten, rief einer; eine andere warf in den Raum, dass „bauen, bauen, bauen“ wegen der Klimakatastrophe keine Option sei. Natürlich, ergänzte Giffey daraufhin, dürfe nicht einfach nur so gebaut werden, es müssten schon „klimaneutrale Häuser“ sein.

Überhaupt war überraschend, wie viel Wert die Regierende dem Klimathema beimaß. Weil seit einem Jahr quasi täglich Ak­ti­vis­t*in­nen der Letzten Generation Autobahnzufahren besetzen und damit die Klimakatastrophe als Topthema ins öffentliche Bewusstsein katapultiert haben?

Bei ihren mit Verve vorgetragenen Schilderungen, was der Senat alles in Sachen Klimaschutz getan habe in den guten Jahr seit der vergangenen Wahl, konnte man jedenfalls fast den Eindruck bekommen, mit einer Grünen zu reden: Kli­ma­bür­ge­r:in­nen­rat einberufen, Klimaschutzgesetz gemacht. Es gebe jetzt eine „Klimagovernance“ im Senat, die BVG-Busflotte solle bis 2030 komplett klimaneutral werden, insgesamt wolle man den städtischen CO2-Verbrauch bis 2030 um 70 Prozent reduzieren – das sei mehr als anderswo, betonte sie.

Dass die Bilanz von Rot-Grün-Rot in Sachen Klimapolitik nicht ganz so rosig ausfällt, wie die SPD-Frontfrau es darzustellen versuchte, zeigten die Fragen einer Frau aus dem Publikum, die sich später als Vertreterin der Klimaliste vorstellte. Sie wies Giffey darauf hin, dass der Kli­ma­bür­ge­r:in­nen­rat nicht auf Initiative der Politik, sondern der Zivilgesellschaft ins Leben gerufen wurde. Und wenn die Regierende nun dessen Arbeit so lobe: „Warum lief der dann so unter dem Radar, warum wird der nicht mehr gepuscht?“

Hier griff die SPD-Spitzenkandidatin auf den üblichen Kniff von Po­li­ti­ke­r:in­nen zurück: Der Kli­ma­bür­ge­r:in­nen­rat sei ja in Verantwortung der Klimasenatorin, sagte sie. „Ich kann das gerne an Frau Jarasch weitergeben.“

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