: Mehr zuhören als kritisieren
Die Staatssekretärin und Klimabeauftragte Jennifer Morgan war auf Südamerikareise. Die ehemalige Greenpeace-Chefin traf Aktivist*innen – und verteidigte die Kohlepolitik der Ampel
Aus São Paulo Niklas Franzen
Jennifer Morgan wolle zuhören. Deshalb ist die Sonderbeauftragte für internationalen Klimaschutz der Bundesregierung am 29. November nach Südamerika gereist: Kolumbien, Chile, Argentinien, Brasilien.
Am Mittwoch sprach die ehemalige Aktivistin auf einem Treffen in der brasilianischen Megametropole São Paulo. Sie lobte die Klimapolitik ihrer Regierung und verteidigte die Wiederinbetriebnahme von Kohlekraftwerken. Immer wieder betonte sie: Alle Länder müssten an einem Strang ziehen. „Die Industrienationen müssen mehr machen, aber wir brauchen auch mehr Engagement der Schwellenländer.“
Morgan wurde von der grünen Außenministerin Annalena Baerbock als Staatssekretärin in das Auswärtige Amt geholt. Sie war Chefin von Greenpeace und als Aktivistin an vielen Klimagipfeln beteiligt. Baerbock hat die Steuerung und Koordination der internationalen Klimapolitik aus dem Umweltministerium in das Außenministerium geholt. Doch sie selbst hat kaum Zeit für „Klimaaußenpolitik“, denn der Ukrainekrieg überschattet alles. Umso größer ist der Druck auf Morgan.
Ihre erste größere Bewährungsprobe bestand sie: Für ihren Auftritt auf der Weltklimakonferenz COP27 im ägyptischen Scharm al-Scheich wurde Morgan von vielen Seiten gelobt. Auch ihre Reise nach Südamerika wird als Zeichen gedeutet, dass sie es ernst meint. In Kolumbien traf Morgan die linke Vizepräsidentin und prominente Umweltschützerin Francia Márquez. Auch in Argentinien und Chile gab es Treffen mit Regierungsvertreter*innen und Aktivist*innen.
Eine besondere Rolle kommt Brasilien zu. Das Land ist Heimat des größten Waldes der Welt und auch geopolitisch ein Schwergewicht. Der neue Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat erklärt, den Kampf gegen die Klimakrise zu einer Priorität seiner Regierung zu machen. Morgan bezeichnet die Wahl als „Wendepunkt“. Es gebe Anzeichen für einen Wandel, sie hoffe auf eine starke Partnerschaft zwischen Deutschland und Brasilien.
Doch Fakt ist auch, dass Länder wie Deutschland vom Raubbau in Amazonien profitieren. Allein 2021 wurden rund 1,5 Millionen Tonnen Sojabohnen aus Brasilien nach Deutschland geliefert. Weite Teile des Regenwaldes werden gerodet, um Platz für kommerzielle Landwirtschaft und Viehzucht zu machen. Viele deutsche Unternehmen sind zudem in Fälle von Menschenrechtsverletzungen verstrickt. Darauf angesprochen, reagiert Morgan zurückhaltend. Allzu deutliche Kritik hört man in São Paulo nicht.
Eine besondere Rolle könnte dem Amazonas-Fonds zukommen. Unmittelbar nach der Wahl Lulas hatten sowohl Deutschland als auch Norwegen signalisiert, wieder in den milliardenschweren Fonds zum Schutz des Regenwaldes einzuzahlen. Wegen Bolsonaros Amazonas-Politik und der steigenden Abholzung hatten die beiden europäischen Länder 2019 ihre Finanzierung eingestellt. Auch bei einem Treffen mit Vertreter*innen der Zentralbank, des aktuellen Außenministeriums und künftigen Regierung in der Hauptstadt Brasília stand der Amazonas-Fonds auf der Tagesordnung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen