Hass auf Politik in der Gemeinde

Studie zeigt Hetze gegen Lo­kal­po­li­ti­ke­r:in­nen. Einige wollen aufgeben

Von Tatjana Söding

Fast fünf Prozent der deutschen Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r:in­nen planen, wegen Gewalt, Hass und Hetze ihr Amt niederzulegen. Dies zeigt eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Universität Duisburg-Essen, die am Donnerstag vorgestellt wurde. Zwar wolle man „kein Untergangszenario zeichnen“, sagte Studienleiter Andreas Blättle. Die weitaus meisten Po­li­ti­ke­r:in­nen zeigten sich angesichts der Bedrohungslage resilient. Trotzdem zeichnete sich bei der Befragung mit dem Titel „Anfeindungen und Aggressionen in der Kommunalpolitik“ von über 2.000 Po­li­ti­ke­r:in­nen aus 77 deutschen Großstädten, ein besorgniserregendes Bild über die Qualität der repräsentativen Demokratie ab.

Ein Drittel jener, die ein kommunalpolitisches Amt haben, veränderten ihr Verhalten bei Bedrohungen. Sie gaben an, sich seltener zu kontroversen Themen zu äußern, bestimmte Orte oder Veranstaltungen zu meiden und auf die Nutzung von sozialen Medien zu verzichten. „Wenn sich Po­li­ti­ke­r:in­nen aus Angst vor Anfeindungen nicht mehr frei äußern wollen, hat das gravierende Auswirkungen auf das Gesicht unserer Demokratie“, sagte Blättle.

Auch wenn „nur“ 60 Prozent der befragten „Beleidigungen, Bedrohungen oder tätliche Übergriffe“ persönlich erfahren, wirke bereits die Sorge vor möglichen Anfeindungen abschreckend, heißt es in der Studie. 26 Prozent der Po­li­ti­ke­r:in­nen würden sich präventiv zurückhaltender verhalten, um die eigene Sicherheit oder die Familie nicht zu gefährden.

Hier spielt auch der wirtschaftliche Status, das Geschlecht oder die Migrationsbiografie eine Rolle. Menschen, die sich selbst als Frau, Person mit Migrationshintergrund oder der Mittel- und Ar­beiter:innenschicht zuordnen, würden Anfeindungen zwar nicht öfter erleben, jedoch häufiger Konsequenzen aus der Erfahrung von Hass ziehen.

Neben den direkten Ergebnissen der Studie, weisen Annahmen über das Dunkelfeld auf weitere Missstände hin. So konnte etwa keine verallgemeinernde Aussage über die spezifische Hetze gegen nichtbinäre Personen getroffen werden, da sich nur 13 Befragte weder als „Mann“ noch als „Frau“ identifizierten. Da die Studie sich lediglich mit der Erfahrung von aktiven Po­li­ti­ke­r:in­nen beschäftigte, bleibt unklar, wie viele Menschen aus Sorge vor Hass, Hetze und Gewalt gar nicht erst politisch antreten.

„Anfeindungen und Aggressionen sind mittlerweile Teil der kommunalen Politik geworden und in der Breite präsent“, fasst Blättle zusammen. Sowohl in West- und Ostdeutschland und unabhängig der Parteizugehörigkeit: Beleidigungen und Gewaltandrohungen per Mail, Telefon, Kurznachricht oder verbaler Äußerung gehören zum Alltag der meisten Kommunalpolitiker:innen. Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019 und Fackelmärsche vor dem Haus des Halberstädter Oberbürgermeisters Daniel Szarata (CDU) seien nur die Spitze eines größeren Problems.

Blättle wies zudem auf die ehrenamtliche Tätigkeit der meisten Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r:in­nen hin. Man sollte ihnen besonderen Schutz zukommen lassen. Nur dann könne auch die repräsentative Demokratie, die von Vielfalt und freier Meinungsäußerung lebe, gewahrt werden.