Protest gegen Zwangsräumung in Bremen: Rauswurf vor Weihnachten

In Bremen droht ein Mieter seine Wohnung zu verlieren, weil das Jobcenter die Mietzahlung einstellte. Nach Protest gibt es Aussicht auf eine Lösung.

Menschen mit Masken stehen in einem Flur, einige halten Schilder hoch

Polizei im Wohnungsamt: Erst nach einer Stunde konnte der Mieter in Begleitung vorsprechen Foto: Sebastian Heidelberger

BREMEN taz | Frank Neumann* droht eine Zwangsräumung seiner Wohnung zum 15. Dezember. Der Grund: Das Jobcenter hat rechtswidrig die Mietzahlungen eingestellt. Deswegen hat ihn das Bremer Bündnis gegen Zwangsräumungen am Donnerstag öffentlichkeitswirksam zur Zentralen Fachstelle Wohnen (ZFW) begleitet. Die Ak­ti­vis­t*in­nen hatten Schilder mitgebracht, auf denen unter anderem stand: „Wir fordern: F’s Wohnung beschlagnahmen“. Bereits bevor Neumann und die Un­ter­stüt­ze­r*in­nen das Amt betreten konnten, wurden sie von der Security aufgehalten, die die Polizei hinzuzog. Erst nach einer Stunde durfte Neumann mit zwei Begleitern die ZFW betreten.

„Wir wollen darauf hinweisen, dass Menschen häufig ihre Wohnungen verlieren, auch wenn das Jobcenter nur zwischenzeitlich die Miete nicht mehr zahlt“, sagte der Sprecher des Bündnisses, Bahne Michels. Der Protest zeigt Wirkung: Neumann wurde erneut ein Darlehen in Aussicht gestellt, für Freitag wurde ein Folgetermin vereinbart. Ob der Vermieter von der Räumung absieht, ist unklar.

In Neumanns Fall hatte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen bereits am 17. August 2021 geurteilt, dass das Jobcenter die Mietzahlung rechtswidrig eingestellt hatte – in der irrigen Annahme, Neumann habe zu hohe Nebeneinkünfte. Vermieter können aber schon bei zwei fehlenden Monatsmieten zwangsräumen lassen, unabhängig von den Gründen für das Versäumnis. Das Amtsgericht Bremen bezieht sich in seinem Räumungsurteil vom 7. Januar dieses Jahres auf eben jenes Urteil des Landessozialgerichts und schreibt, dass die fehlenden Zahlungen des Jobcenters der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegenstehen.

Ak­ti­vis­t*in­nen schlagen Beschlagnahme vor

Neumann sagt, ein früher von der ZFW versprochenes Darlehen über 300 Euro habe er nie bekommen. Auch deswegen habe er die Miete nicht bezahlen können. „Ich bin Opfer von Diskriminierung durch das Jobcenter“, sagt er.

Die Ak­ti­vis­t*in­nen schlugen vor, dass die ZFW von der Möglichkeit gebraucht macht, eine leere Wohnung zu beschlagnahmen. „Wir fordern von der Stadt eine Wohnung für ihn – und eine echte politische Lösung für Menschen, die zwischen miesen Vermietern und einem säumigen Jobcenter zerrieben werden“, sagt Michels. Die ZFW aber erklärte sich für nicht zuständig.

Bernd Schneider, Sprecher der Senatorin für Soziales, glaubt nicht, dass es zur Räumung kommt. „Wenn eine rechtswidrige Nichtzahlung des Jobcenters einziger Grund für die Räumungsklage ist, kann die ZFW die Räumung in Zusammenwirkung mit dem Jobcenter noch abwenden“, sagt Schneider. Die ZFW habe aber bis Donnerstag keine Kenntnis von der Räumung gehabt, so Schneider.

Fast die Hälfte der Räumungen wurde in den vergangenen beiden Jahren nach dem besonders harten Berliner Modell durchgeführt

Bahne Michels ist nicht so optimistisch. Das Bündnis betreue jeden Monat ein bis zwei Fälle, in denen Mie­te­r*in­nen Räumungsklagen erhielten, weil das Jobcenter die Miete unrechtmäßig nicht mehr zahle. Michels geht von einer hohen Dunkelziffer aus, da nicht alle betroffenen Mie­te­r*in­nen sich an das Bündnis wenden würden.

Die Aktion sei dennoch ein Erfolg: „Wir haben einen Folgetermin für morgen bei der ZFW, möglicherweise wird es doch noch ein Darlehen geben, das man dem Vermieter anbieten kann.“ Sollte es dennoch zur Räumung kommen, will das Bündnis eine Kundgebung anmelden.

In Bremen kommt es jedes Jahr zu Hunderten Räumungsklagen. Von 2015 bis 2019 gab es insgesamt 4.225 Räumungsverfahren. 2017 gab es 858 Vollstreckungsaufträge, 2018 waren es 874. Seitdem sinkt die Zahl. 2019 wurden 573 Zwangsräumungen durchgeführt, 2020 waren es 470 und 2021 noch 455. Fast die Hälfte der Räumungen wurde in den vergangenen beiden Jahren nach dem besonders harten Berliner Modell durchgeführt, bei dem der gesamte Hausrat der Mietenden gepfändet werden kann.

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