Streit bis zur letzten Coronamaßnahme

Der Virologe Christian Drosten sieht Corona nun als endemisch an – und löst einen Streit in der Ampel aus, wie es mit den Schutzmaßnahmen weitergeht

Die Maske kann demnächst runter, aber den Schal nicht vergessen: Professor Drosten von der Charité erklärt die Pandemie für beendet Foto: Fo­to:­ Stefan Boness/Ipon

Von Nicole Opitz

Die Ampelkoalition ist sich uneins über den weiteren Umgang mit den Coronaregeln. Nachdem der Virologe Christian Drosten von der Charité Berlin sich im Tagesspiegel dazu äußerte, dass die Pandemie nach seiner Einschätzung nun vorbei sei und man eine „erste endemische Welle“ erlebe, fordert Justizminister Marco Buschmann (FDP), die Schutzmaßnahmen sofort zu beenden.

Auf Twitter schrieb er: „Christian Drosten gehörte in der Pandemie zu den vorsichtigsten Wissenschaftlern. Nun lautet sein Befund: Die Pandemie ist vorbei. Wir sind im endemischen Zustand. Als politische Konsequenz sollten wir die letzten Corona-Schutzmaßnahmen beenden.“ Später ergänzte Buschmann: „§ 28b VIII Nr. 1 IfSG sieht vor, dass die Bundesregierung bundesweit einheitliche Coronamaßnahmen durch Rechtsverordnung auch vor dem 7. 4. 23 beenden kann. Das war für eine Entwicklung vorgesehen, die günstiger ist, als es die Prognosen im Herbst waren. Das ist nun der Fall.“

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lehnt ein sofortiges Ende aller Schutzmaßnahmen dagegen ab. Dem Evangelischen Pressedienstes sagte er: „Die Kliniken sind voll, das Personal überlastet, die Übersterblichkeit ist hoch, und der Winter ist noch nicht zu Ende. Ein sofortiges Beenden aller Maßnahmen wäre leichtsinnig und wird auch von Christian Drosten nicht gefordert.“

Endemie Laut Robert-Koch-Institut „in einer Gegend heimische Krankheit, von der ein größerer Teil der Bevölkerung regelmäßig erfasst wird“. Das Coronavirus wird also immer wieder auftreten, durch Impfungen und andere Schutzmaßnahmen aber größtenteils für leichtere Verläufe sorgen. Laut RKI sterben derzeit etwa 500 Menschen pro Woche an Corona.

Pandemie Laut Bundesärztekammer eine „sich schnell weiter verbreitende, ganze Länder und Kontinente erfassende Krankheit“. Bei einer Influenzapandemie führe die fehlende Grundimmunität der Bevölkerung zu schweren Erkrankungen und Toten“. (nio)

Die SPD-Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens äußerte sich ähnlich. Das Infektionsschutzgesetz habe eine deutliche Besserung der Coronalage mit einkalkuliert. „Den Pfad bis zum Ende der Regelungen Anfang April sollten wir beibehalten. Einen anderen Weg zu fahren, so wie vom Bundesjustizminister gefordert, halte ich für voreilig.“ Wie SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht Baehrens nun die Bundesländer in der Pflicht.

Auch der Grünen-Gesundheitsexperte und Arzt Janosch Dahmen sagte der Rheinischen Post, dass Deutschland im Vergleich zu China besser mit der Pandemie zurechtkomme dank der nochmals angepassten Impfstoffe und der vielen Auffrischimpfungen. Gerade angesichts der großen Zahl an Infektionen in China sei es sinnvoll, „wenn wir uns hier vor Ort nun noch einmal konsequenter durch Masken, Abstand und Lüften schützen und Infektionsketten nicht nur bei Corona, sondern auch etwa bei Influenza und RSV kurz halten“. Auch wegen des Rekords an Personalausfällen im Gesundheitswesen sei dies nötig.

Das Robert-Koch-Institut teilte zuletzt mit, dass sich Atemwegserkrankungen auf einem „überdurchschnittlich hohen Niveau“ befinden. Etwa 2,3 Millionen Menschen hätten in der zuletzt gemessenen Woche vom 12. bis zum 18. Dezember wegen einer Atemwegserkrankung Ärz­t:in­nen aufgesucht. Dabei seien die meisten Fälle dem Grippevirus sowie dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) zuzuschreiben.

„Ein sofortiges Beenden aller Maßnahmen wäre leichtsinnig“

Gesundheitsminister Lauterbach

Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Weltärztebundes, warnte vor Sorglosigkeit im Umgang mit Corona. Man könne sich im Umgang mit der Krankheit zwar „Erleichterungen leisten“, sagte der Mediziner dem Bayrischen Rundfunk. „Dabei sollten wir aber nicht alle Vorsicht fahren lassen.“ Das Coronavirus werde nie mehr ganz verschwinden, betonte Montgomery. „Bleiben wir also auf der Hut, aber entspannen wir uns auch im aktuellen Umgang mit dem Coronavirus. Vor allem aber sollten wir aufhören, Infektionsschutzmaßnahmen zum Gegenstand ideologischer Diskussionen zu machen.“

Die aktuellen Coronaregeln gelten bis zum 7. April und beinhalten das Tragen einer FFP2-Maske im Zug und in Arztpraxen sowie die Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Bundesländer können zudem entscheiden, ob das Tragen einer Maske in öffentlichen Verkehrsmitteln notwendig ist oder in Innenräumen ein Mindestabstand von 1,50 Metern eingehalten werden soll.