Konzertempfehlungen für Berlin: Im Zeichen des großen X

Hundert Jahre Iannis Xenakis, ein sehr großes Ensemble in kleiner Spielstätte und folkloristischer Minimalismus stehen diese Woche auf dem Programm.

Der Chor The Gray Voice Ensemble blickt mit geschminkten und verzerrten Gesichtern in die Kamera.

Führen das Singspiel des Kollektivs Albert McCloud auf: der Chor The Gray Voice Ensemble Foto: Ink Agop, JuKuZ

Der Geburtstag ist schon ein bisschen her, am 29. Mai war er, doch der Anlass ist groß genug, um das ganze Jahr über daran zu erinnern: Vor hundert Jahren wurde der griechische Komponist Iannis Xenakis geboren. Und er war nicht einfach irgendein Musiker der Moderne, sondern ohne Übertreibung einer der modernsten. Einer, der in der Avantgarde seinen eigenen Weg ging, der seine Ideen verfolgte, egal, ob sie in den Mainstream der Nachkriegsmoderne passten oder nicht. Dafür sollten ihm später, bis heute, um so mehr Musiker darin folgen, die Anregungen, um die er das Spektrum dessen, was Musik sein und wie sie gemacht werden kann, erweitert hat.

Eine Reihe von derart gesinnten Kollegen versammelt von Freitag an für drei Tage das kleine Festival X100 im Kraftwerk Berlin. Neben Aufführungen der Musik des Gefeierten, von denen einige auf dem Programm stehen, gibt es eigene Beiträge von abenteuerlustigen Musikern der frei improvisierten oder elektronischen Musik. Die Cellistin Okkyung Lee ist ebenso vertreten wie die konzeptuellen Frequenzentüftler Haswell & Hecker oder der für die Demontage von Clubmusik geschätzte Produzent Lee Gamble. Xenakis ist heftig und auf befremdliche Weise schön. Hier kann man das geballt abbekommen (18.-20. 11., Köpenicker Str. 59-73).

Apropos geballt: Das WestGermany ist im Vergleich zum Kraftwerk ja ein ziemlich kleiner Ort. Dort gastiert am Sonnabend jetzt der Chor The Gray Voice Ensemble mit „Sleep (is the mystery tune)“, einem Singspiel von Albert McCloud. Bei Letzterem handelt es sich um den Namen eines Kollektivs, dessen Autoren anonym sind. Interessant ist an dieser Darbietung, die es an diesem Abend zweimal hintereinander gibt, dass knapp 50 Namen unter den Beteiligten aufgelistet sind. Wenn die alle am Ort im Raum anwesend sein sollten, fragt sich ein bisschen, wo eigentlich das Publikum hin soll. Aber dieser Tage gibt es ja auch die Möglichkeit, die Künstler per Video oder anderweitig zuzuschalten. Kostüme sind ebenfalls angekündigt, dazu passend wird das Tragen einer Maske empfohlen (19. 11., Skalitzer Str. 133, 18 + 20.30 h, 15/10 €).

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Um die Entscheidung womöglich noch etwas schwieriger zu gestalten, sei auf ein weiteres Konzert am Sonnabend in der Fahrbereitschaft hingewiesen, zu dem das Ensemble KNM lädt. „La Strada – Pop Up“ heißt die Konzertreihe, ganz im Zeichen der Vorherrschaft des Ungewissen und Provisorischen, schnell wieder Verschwindenden, wie es scheint. Eine Uraufführung eines Werks der Künstlerin Tania Candiani und des Komponisten Rogelio Sosa steht an, dazu neuere Musik der Komponistin Kristine Tjøgersen. Und als Klassiker der Minimal Music aus Deutschland, wenn man so möchte, gibt es von Walter Zimmermann Teile aus dessen Großprojekt „Lokale Musik“, in dem er sich traditionelle Musik aus Franken aneignete. Ein monumentales Werk, wird leider viel zu selten aufgeführt (19. 11., Herzbergstraße 40-43, 19.30 h, 12/8 €).

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Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.

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