Spendengelder gefährdet: Ukraine-Geld im Pleitensumpf
Das Rote Kreuz in Goslar sammelte 400.000 Euro für Ukraine-Flüchtlinge. Doch das Geld kann nicht ausgezahlt werden: Der Kreisverband ist insolvent.
Das Insolvenzverfahren gegen den Kreisverband wurde Anfang September eröffnet. Ausgangspunkt war eine finanzielle Schieflage bei der DRK-Tochterfirma „Pflege und Service GmbH“. Diese Gesellschaft betreibt ein Seniorenheim in Clausthal-Zellerfeld sowie zwei Sozialstationen mit Tagespflege. Eigentümer der Immobilien ist aber der DRK-Kreisverband, er kassiert von der Pflege-GmbH eine Miete.
„Wie im Domino-Effekt“, so die Goslarsche Zeitung, war nach der insolventen Pflege-GmbH auch der gesamte DRK-Kreisverband mit 75 Mitarbeitenden von den finanziellen Turbulenzen betroffen und musste deshalb selbst Insolvenz anmelden. Als Insolvenzverwalter wurde der Braunschweiger Rechtsanwalt und Finanzfachmann Peter Steuerwald bestellt.
Die 75 Beschäftigten arbeiten etwa in der Kinderbetreuung und der Hauswirtschaft. Ihre Löhne und Gehälter immerhin sind bis einschließlich November durch die Agentur für Arbeit gesichert.
Geld für den Mutter-Kind-Spielkreis
Im Frühjahr hatten der DRK-Kreisverband und die Goslarsche Zeitung ihre Spendenaktion für Geflüchtete aus der Ukraine gestartet. Mehr als 370.000 Euro kamen dabei zusammen. Rund 65.000 Euro davon wurden bisher an mehrere Projekte in der Region vergeben.
Geld erhielten etwa der Kinderschutzbund Goslar, die Kinder- und Jugendstiftung Langelsheim, der Verein „Goslar hilft der Ukraine“, die Initiative „Bürger helfen Bürgern“ in Clausthal-Zellerfeld, die Tafeln in mehreren Orten, eine Kirchengemeinde sowie eine Gruppe, die in Goslar einen Mutter-Kind-Spielkreis für deutsche und ukrainische Familien aufbaut.
Das Einsammeln der Spenden und die Weitergabe des Geldes an die begünstigten Projekte erfolgte über ein eigens eingerichtetes Konto des DRK, das Rote Kreuz als gemeinnützige Organisation konnte so auch Spendenquittungen ausstellen. Alle Spender, die eine Spendenbescheinigung ab 200 Euro angefordert hatten, erhielten nach Angaben der Goslarschen Zeitung auch eine Quittung dafür, bei kleineren Spenden reicht dem Finanzamt der Überweisungsbeleg.
Viele weitere Initiativen und Organisationen haben bereits Anträge auf Förderung gestellt, teilweise hat eine eigens eingesetzte Kommission auch schon darüber entschieden, wer wie viel Geld erhält. Doch die noch auf dem Konto liegenden 306.000 Euro dürfen nun zumindest vorerst nicht angetastet und ausgezahlt werden – so jedenfalls die rechtliche Position des Insolvenzverwalters.
Steuerwalds Stellungnahme besagt im Kern, dass das verbliebene Spendengeld für die Ukraine-Hilfe deshalb gesperrt ist, weil es insolvenzrechtlich dem DRK-Kreisverband zuzuordnen sei. Gespendet worden sei „in dem (bloßen) Vertrauen“, dass die Goslarsche Zeitung und das Rote Kreuz das Geld der Flüchtlingshilfe zukommen lassen würden. Es handele sich bei den 306.000 Euro also nicht um das Vermögen Dritter und müsse dementsprechend der Insolvenzmasse zugeschlagen werden.
Im Klartext: Statt der Ukraine-Initiativen sollen die Gläubiger des Kreisverbandes das Geld bekommen. Und zum Teil auch Steuerwald selbst als Honorar für seine Tätigkeit in der Causa. Menschlich passe ihm dieses Ergebnis aber nicht, betont der Insolvenzverwalter, der sich in seiner Bewertung nach eigenen Angaben auf eine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes stützt.
Die Vergabe-Kommission und die Goslarsche Zeitung wollen sich mit Steuerwalds Rechtsauffassung allerdings nicht abfinden und nach eigenem Bekunden alles daransetzen, dass die Spendengelder „schnellstmöglich“ wieder für Hilfsprojekte zur Verfügung stehen. Mit diesem Ziel sollen Juristen nun die Stellungnahme des Insolvenzverwalters überprüfen. Gleichzeitig wurden potenzielle Spender aufgerufen, bis auf Weiteres kein Geld auf das Sonderkonto des DRK-Kreisverbandes zu überweisen.
Gegen diese Organisatoren der Spendenaktion regt sich Unmut. „Will man hier vom eigenen Versagen ablenken?“, fragt ein Leser im Kommentarbereich der Goslarschen Zeitung. Tatsächlich erscheint es schwer verständlich, warum viele Monate nach Kriegsbeginn noch immer rund 80 Prozent der Spendengelder ungenutzt auf dem Bankkonto liegen.
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