Korruption in Ungarn: Orbáns härtester Gegner
Daniel Freund hat eine Mission: Der Europa-Abgeordnete will die Korruption unter Ungarns Premier bekämpfen. Eine Erkundungsfahrt nach Budapest.
A n diesem Morgen im November steht zum ersten Mal in der Zeitung, was Daniel Freund schon seit Wochen befürchtet hat. „Ungarn und die EU nähern sich einer Einigung“, titelt das Magazin Politico. Es geht um 7,5 Milliarden Euro, die die Brüsseler Kommission einzufrieren angedroht hat. Zudem hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán weitere Milliarden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds bisher nicht bekommen. Denn seit Langem sieht Brüssel die Demokratie in Ungarn bedroht. Und trotzdem könnten die Milliarden bald wie geplant nach Ungarn fließen – in ein Land mit „einem Grad an Korruption, den es nirgendwo sonst in der EU gibt“, so sieht Daniel Freund das.
Korruption ist sein großes Thema. Wohl niemand in Brüssel hat sich so für Sanktionen gegen Orbán eingesetzt wie der 38-jährige Grünen-Abgeordnete aus Aachen. 2019 kam er ins EU-Parlament, 2020 strahlt Arte die Doku „Hallo, Diktator“ aus. Freund kämpft darin für Strafen gegen EU-Staaten, die die Rechtsstaatlichkeit verletzen – so wie Ungarn.
Mittlerweile läuft das Verfahren gegen den Autokraten Orbán. Bis zum 19. November hat der Zeit, Brüssel zu erklären, warum Sanktionen gegen seine Regierung falsch wären.
Und so hat auch Daniel Freund an diesem Morgen noch nur noch ein paar Tage Zeit, um dafür zu sorgen, dass die EU die womöglich einzige Chance nicht verpasst, Orbán unter Kontrolle zu bekommen. Denn letztlich sei die Frage ja: „Wie verhindere ich, dass er die EU von innen kaputt macht?“, sagt Freund.
Frühstück beim Journalisten
Also ist er nach Budapest gereist und sitzt jetzt im hellblauen Anzug frühstückend in einem Café im 6. Bezirk mit einem in Ungarn lebenden Journalisten. Der schildert ihm Orbáns prekäre Finanzlage: eine Rekordinflation von über 20 Prozent trotz staatlicher Preisbremsen, sündhaft teure Wahlgeschenke, eine leere Staatskasse. Würde Brüssel das Geld tatsächlich einfrieren, wäre Orbán wohl schlichtweg pleite.
Freund weiß das alles schon längst. Und er versteht nicht, warum die Kommission diese Situation nicht ausnutzt, um Orbán zumindest ein Stück weit wieder auf EU-Standards zu verpflichten.
„Wenn die EU das Geld zurückhält, würden die Leute Orbán glauben, dass ich schuld bin?“, will Freund von dem Journalisten wissen. Richtet sich die Wut also gegen den Ministerpräsidenten, der mit seinem autoritären Umbau des Staats immer weiter voranschreitet? Oder gelänge es diesem, den Ärger auf Brüssel zu lenken und so seine Position womöglich gar noch zu festigen?
Eine wirkliche Antwort darauf hat der Journalist nicht.
Später sagt Freund: „Ich meinte nicht mich persönlich, sondern eher das Parlament als Ganzes.“ Das hatte schließlich 2021 beschlossen, dass die Kommission das Verfahren gegen Ungarn starten solle.
Aber vielleicht würde sich die Wut doch gegen ihn, gegen Freund richten. Tamás Deutsch von der regierenden Fidesz-Partei hat im ungarischen Fernsehen über Freund gesagt: „Früher kamen sie mit braunen, jetzt mit grünen Hemden.“ Auf einem Fidesz-Parteiblog erscheinen bis zu zwei Artikel pro Tag, die sich an Freund abarbeiten. Zuletzt wurde er dort „besessener Inquisitor“ genannt.
Zsolt Bayer, Orbán-Unterstützer, über Daniel Freund
Im Sommer hatte Zsolt Bayer, ein Fidesz-Propagandist, Freund als „unnötige Existenz“ und als „Unfall, eine versehentliche Entgleisung, ein Stoß auf den kranken Körper des beginnenden 21. Jahrhunderts“ geschmäht. Als Bayer erfuhr, dass Freund auf einem Festival in Budapest als Podiumsgast eingeladen war, postete er dies auf dem Regierungspartei-Blog. „Da war ich das erste Mal mit Securities unterwegs“, sagt Freund.
Heute sind nur zwei seiner Referenten aus Brüssel mitgekommen. Die drei machen sich auf den Weg, vorbei an der Synagoge, durch die Budapester Innenstadt, Rollkoffer hinter sich, einen Kameramann vor sich. Der dreht schon für die nächste Fernsehdokumentation über Freunds Kampf gegen Orbán. Freund schimpft über die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Sie hat es, so lange es irgendwie ging, verschleppt“, sagt er.
Anfang 2021 trat der europäische Rechtsstaatsmechanismus in Kraft. Im Oktober 2021 verklagte das EU-Parlament von der Leyen, weil sie das Instrument nicht gegen Orbán einsetzte. Doch erst zwei Tage nach der von der Fidesz gewonnenen Parlamentswahl im April 2022 kündigte die Kommission schließlich an, den Rechtsstaatsmechanismus gegenüber Ungarn anzuwenden – eine überaus freundliche Rücksichtnahme auf Orbáns Wahlkampf.
Es war nicht das einzige Entgegenkommen. Eigentlich sollen erst die Sanktionen greifen und der Mitgliedstaat dann Abhilfe schaffen, so ist es gedacht. „Die Kommission hat das nun eigenmächtig so konstruiert, dass Ungarn vorab reagieren kann und Gesetze dafür erlässt.“
Eine „Einigung“ mit Orbán hieße, dass dieser seinen Kurs fortsetzen kann, befürchtet Daniel Freund. Die ungarische Opposition ist zerfallen, die Medien sind weitgehend unter staatlicher Kontrolle, die Rechte von Nichtregierungsorganisationen sind eingeschränkt, die Gewaltenteilung ist es ebenso. Ungarn wird zum Gegenteil einer offenen Gesellschaft. Für Korruption sind das ideale Bedingungen. Und so ist das öffentliche Beschaffungswesen in Ungarn zu einem Selbstbedienungsladen verkommen.
Die teuren Laternen
Freund erzählt die Geschichte mit den LED-Laternen. 2010, Orbán war gerade wieder ins Amt gewählt worden, wurde der Auftrag für die moderne Beleuchtung erstmals in Ungarn ausgeschrieben. Den ersten Zuschlag bekam Elios, ein Unternehmen, das damals Orbáns Schwiegersohn István Tiborcz gehörte. „In die nächste Ausschreibung haben sie dann einfach reingeschrieben, dass der Auftragnehmer Erfahrung mit LED-Straßenlaternen in Ungarn haben muss“, sagt Freund. „Da war er dann natürlich der Einzige.“ Die folgenden 42 Aufträge habe Tiborcz dann konkurrenzlos gewonnen. „Und er konnte verlangen, was er wollte.“
Orbáns Familie und seine engsten Freunde stammen aus der Mittelschicht. Seit er im Amt ist, haben sie Schätzungen zufolge ein Milliardenvermögen angehäuft.
Die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf monierte später, dass Elios minderwertige Laternen zu überhöhten Preisen für insgesamt 40 Millionen Euro aufstellen durfte. „Es laufen zu jeder Zeit etwa 40.000 von der EU geförderte Projekte in Ungarn“, sagt Freund. „Und wissen Sie, wie viele Leute bei der EU-Betrugsbehörde Olaf für Ungarn zuständig sind? Vier!“
Dann erzählt Freund von einem Besuch in Orbáns Heimatort Felcsút. Dort stehe „das schönste Fußballstadion, das ich je gesehen habe“. Außerdem gebe es eine Schmalspurbahn, bezahlt von der Europäischen Union. Sie fährt von der Stadt in ein Maisfeld. „Der einzige Zwischenstopp ist ein Fischteich.“ Die Zuschüsse seien mit der Behauptung beantragt worden, die „Touristenattraktion“ würde 2.000 Menschen pro Tag anziehen. „Als wir da waren, fuhr sie einmal am Tag, und wir waren allein“, sagt Freund. „Das Bauen an sich, das ist der Zweck. Denn dabei kann man Geld abgreifen.“
17 Maßnahmen hat Ungarn nun der Kommission angeboten, um der Korruption entgegenzuwirken. In Rekordzeit hat Ungarn sechs Gesetze durch das Parlament gebracht. Unter anderem soll eine „Integritätsbehörde“ entstehen. Ein Problem: Die Maßnahmen berühren in erster Linie Vergabeverfahren für öffentliche Gelder. Schritte, die die Durchsetzung des Rechtsstaats betreffen, sind nicht enthalten. „Die Anforderung, dass sich mehr als eine Firma auf eine öffentliche Ausschreibung bewerben muss, kann durch Scheinangebote einfach umgangen werden“, klagt Freund.
Treffen mit Antikorruptionsinitiativen
Auch die drei wichtigsten Antikorruptionsorganisationen des Landes – das Helsinki-Komitee, Transparency International und K-Monitor – halten von den Vorschlägen wenig. „Halbherzige Versprechen, enttäuschend eingelöst“, steht in ihrer gemeinsamen Stellungnahme. Orbáns Vorschläge seien „ungeeignet“, die Korruption einzudämmen.
In Ungarn haben sie es schwer, mit ihrer Kritik durchzudringen. Alle drei Organisationen bekommen Geld von der Open Society Foundation des ungarischen Millionärs George Soros. Er ist der Lieblingsfeind Orbáns, seine Staatsmedien zeichnen ihn seit Jahren als eine der größten Gefahren für die ungarische Nation.
Am Vormittag haben sich Vertreter der drei Gruppierungen in den Räumen des Helsinki-Komitees in der Innenstadt versammelt, um mit Freund zu sprechen. Sie sind aufgebracht, weil Orbán das Verfahren durchgezogen hat, ohne irgendjemanden außerhalb der Regierung zu beteiligen. Am absurdesten sei die Ernennung der Leiter der neuen „Integritätsbehörde“ gelaufen, sagen sie. Am 28. Oktober, einem Freitag, schreibt die Regierung die Chefposten für die neue Behörde aus. Dann kommt ein langes Wochenende. Nur drei Werktage später bittet Orbán zum Fototermin und händigt den Direktoren ihre Ernennungsurkunden aus. „Die Kriterien für die Einstellung wurden erst nach Eingang der Bewerbungen festgelegt“, sagt einer der Korruptionsbekämpfer.
Die Wahl fiel damals auf Ferenc Biro, einen auf sogenannte Compliance-Fragen spezialisierten Consultant des Wirtschaftsprüfungskonzerns Pricewaterhouse Coopers. Gegen den Mann selbst sei nichts zu sagen, finden die NGO-Leute. Das Problem sei, dass seine Behörde keine Befugnisse bekommen soll.
Eine Juristin des Helsinki-Komitees glaubt, dass ohne unabhängige Verfolgungsinstanz die Korruption nicht eingedämmt werde. Allein in den letzten Monaten seien in Ungarn die Verfahren in drei hochkarätigen Korruptionsfällen eingestellt worden. Die Justiz sei fest in der Hand zweier von Orbán ernannter Vertrauter.
Von der Leyen müsse die Vorschläge ablehnen, sagt der Transparency-Mann. „Das ist ein Nebelschleier, um Korruption zu verdecken.“
Nach einer Stunde bricht Freund wieder auf. „Das Schrägste war die Sache mit der Ernennung des Behördenleiters“, sagt er im Auto. „Sie konnten also einfach aussuchen, wen sie gewinnen lassen wollten.“
Mittagessen beim EU-Vertreter
Zum Mittagessen trifft er Maksi Mátyás, den Statthalter der EU-Kommission in Ungarn, in einem libanesischen Restaurant. Mátyás ist ein sanftmütiger Ökonom, der sich zwölf Jahre in Brüssel um Klimapolitik gekümmert hat. Kommissionsvertreter ist er erst seit fünf Monaten. Er bestellt Hühnerleber mit Granatapfel und stochert darin herum. „Es ist eine sehr delikate Situation“, sagt er dann. „Wir sind hier off the record, nehme ich an?“
Freund isst einen Teller Humus und redet sich in Rage. „Wenn wir nicht mit Ungarn klarkommen, wie wollen wir dann mit Polen oder Italien fertig werden?“, fragt er. Blockiere man das Geld, bestehe ein Risiko, dass sich der Unmut der Ungarn gegen Brüssel richtet. „Aber wenn wir nichts einfrieren, ist das Risiko größer“, sagt Freund. „Was soll ich den Leuten sagen, wieso es ein höheres EU-Budget braucht, wenn die dann sagen: ‚Ihr gebt das Geld einem Diktator, damit der seine Diktatur ausbauen kann. Seine Freunde werden Milliardäre, und ihr schaut zu.‘ “
Mátyás sieht die Dinge nicht ganz so schwarz.
„Er war gut informiert, immerhin“, sagt Freund danach im Auto. Die Kommission hätte im April nie gedacht, dass sie mit dem Verfahren so viel erreichen könne, habe Mátyás gesagt. „Ich verstehe nicht, wie er das sagen kann.“
Wenn die Kommission nur so zersplittert vorgehe wie jetzt, „dann wird Orbán uns schlagen“, sagt Freund. „Er ist zu klug, er hat zu viele gute Anwälte.“
Orbáns Hebel gegen die Sanktionen
Orbáns Hebel, das seien die Russland-Sanktionen und die Ukraine-Hilfen der EU. Beides kann er mit einem Veto blockieren. „Sein Glück ist, dass es immer noch größere Probleme gibt, die wichtiger sind und für die man seine Zustimmung braucht“, sagt Freund.
In der Ukraine-Frage hat Orbán sich längst offen auf die Seite Moskaus geschlagen. Für die Inflation macht er die Russland-Sanktionen der EU verantwortlich. Die „schieße“ mit den Sanktionen „auf hinterhältige Weise gegen Ungarn“, behauptete Orbán bei einer Rede am Nationalfeiertag Ende Oktober. Ungarn werde in dieser Auseinandersetzung „siegreich“ bleiben, die EU hingegen werde ein ähnliches Ende nehmen wie die Sowjetunion, die bekanntlich 1991 aufgelöst wurde. Putin könnte kaum abfälliger über die EU sprechen.
Damit die Ungarn ihm auch folgen, hat Viktor Orbán eine groß angelegte Kampagne gestartet. Im ganzen Land hängen Plakate mit Fliegerbomben und dem Slogan „Die Brüsseler Sanktionen richten uns zugrunde.“ Dazugehörige Spots laufen in den Staatsmedien rauf und runter. Die Kampagne flankiert eine „Nationale Konsultation“, in der jeder Erwachsene einen Brief von Viktor Orbán bekommen hat. Darin erklärt er wortreich, warum die Sanktionen Ungarn in den Ruin treiben und „größere Migrationswellen als je zuvor“ auslösen werden. Unter diesen Ausführungen können die Ungarn dann mit „Ja“ oder „Nein“ abstimmen, ob sie Brüssels oder seinen, Orbáns Kurs, unterstützen. Das Ergebnis der bis Mitte Dezember angesetzten „Konsultation“ dürfte keine Überraschung werden.
Besuch bei protestierenden Pädagogen
Zu denen, die dabei nicht mitmachen, gehören derweil viele Lehrer. Seit Anfang September demonstrieren sie gegen Orbán. Am Nationalfeiertag, dem 23. Oktober, brachten sie 65.000 Menschen auf die Straße – für ein Land mit knapp 10 Millionen Einwohnern eine enorme Zahl.
„Mittlerweile sind sie systemkritisch“, sagt Palya Tamás, einer der Organisatoren der Proteste, dessen ergrauter Bart seit langer Zeit ungestört wachsen darf, über seine Kollegen. Tamás hat 29 Jahre lang Physik und Mathematik am Budapester Kölcsey-Ferenc-Gymnasium unterrichtet. Bis vor fünf Wochen. Da wurden er und vier weitere Kolleg:innen entlassen. Der offizielle Grund: Sie hätten vier Tage gestreikt. Doch das hatten auch andere getan. Vom Kölcsey-Ferenc-Gymnasium aber gingen die Proteste aus. Und so statuierte die Regierung dort ein Exempel.
Am Nachmittag sitzt Tamás mit einer weiteren entlassenen Kollegin im Hinterzimmer eines Cafés am Kalvinplatz. Freund hat einen Dolmetscher bestellt und hört zu, wie Tamás berichtet, was sie auf die Straße getrieben hat.
„Wir wissen nicht, wie wir zu einer Veränderung kommen können. Wir wissen nur, dass die Lage so schlecht ist, dass sich etwas ändern muss.“ Tamás zeigt ein Foto: „Das ist eines der besten Gymnasien in Budapest.“ Auf dem Bild ist ein Verschlag aus Holz vor dem Eingang des Gebäudes zu sehen. „Den haben sie dahin gebaut, damit der herunterfallende Putz den Schülern nicht auf den Kopf fällt.“
Die Schulen sind marode, die Löhne zu niedrig. Das war vor der Inflation schon ein Thema, aber jetzt sei es „noch bedeutsamer geworden“.
„Hab ich das richtig verstanden, dass Orbán gesagt hat, dass er die Löhne nicht erhöhen kann, solange das Geld aus Brüssel nicht kommt?“, fragt Freund. „Wissen die Leute, dass das Quatsch ist?“
„Die Fanatiker von der Fidesz glauben das. Und die Leute, die sich nur aus Staatsmedien informieren.“
Doch es geht nicht nur ums Geld. Orbán hat auch das Bildungssystem auf Linie gebracht. Das Innenministerium hat schon damit begonnen, sich für die Namen der Schüler:innen zu interessieren, die die Lehrer bei ihrem Streik unterstützen, berichten die.
Und auch die Schulbücher zeigen die Welt so, wie Orbán sie verstanden wissen will. Tamás Kollegin zeigt auf ihrem Handy eine Zeichnung: Eine Uncle-Sam-Figur mit USA-Flagge auf dem Hut und ein EU-Männchen zerren an einer Fahne der Ukraine. Auf der anderen Seite steht ein russischer Bär, übermächtig groß, mit ausgefahrenen Krallen, der die Fahne festhält. „Haargenau wie in der russischen Propaganda: Die Ukraine wird als nicht souveräner Staat gezeigt“, sagt die Lehrerin. Es ist das verpflichtende Geografiebuch für die 8. Klasse. „Man muss hier leben, um das alles glauben zu können,“ sagt sie.
Die Lehrer wollen weitermachen. Allein bis Ende November haben sie vier weitere Aktionstage geplant.
„Gibt es etwas, das ich tun kann?“, fragt Freund.
„Wir warten nicht auf ein Wunder von der EU“, sagt die Lehrerin. „Aber sie soll verstehen, warum wir das alles machen. Es soll nicht nur die Kommunikation der Regierung gehört werden.“
Konsequenzen für die europäische Demokratie
Im Auto, auf dem Weg zum Flughafen, lässt Freund sacken, was er gehört hat. „Ungarn braucht jetzt dringend Geld“, sagt er. Orbán tue deshalb gerade jetzt alles, was von ihm verlangt werde. „Warum dann nicht etwas länger warten? Warum nicht mehr herausholen? Warum in einer Woche entscheiden?“
Am Tag nach Freunds Besuch kündigt die Regierung in Budapest an, ein 18-Milliarden-Euro-Hilfspaket der EU für die Ukraine blockieren zu wollen. Eine Woche vor Ablauf der Prüffrist für die Sanktionen gegen ihn selbst treibt Orbán so den Preis in die Höhe. Offenbar mit Erfolg. Einen Tag später meldet sich die EU-Kommission zu Wort. Ungarn habe „signifikante Schritte“ unternommen, um die Unabhängigkeit der Justiz wiederherzustellen.
Freund ist entsetzt. „Sieht so aus, als würde von der Leyen bald nach Budapest reisen und Ungarns Wiederaufbauplan annehmen“, twittert er. „Milliarden von Euro werden Orbáns Korruption dann weiter am Laufen halten. Das wird katastrophale Konsequenzen für die europäische Demokratie haben.“
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