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Fußballtrainerin über ihre Berufswahl„Es gibt auch gute Männer“

Vor dem Spiel ihres SC Freiburg gegen den FC Bayern spricht Theresa Merk über ihre Visionen. Es könnte ruhig mehr Frauen auf der Bank geben, sagt sie.

Kritische Beobachterin: Theresa Merk beim Spiel gegen Eintracht Frankfurt Foto: Beatiful Sports/imago
Interview von Andreas Morbach

taz: Frau Merk, Sie sitzen hier in der Lounge des Dreisamstadions, mit Blick direkt hinunter auf den Rasen. Das sei ein bisschen Fußballromantik, sagen Sie. Wie nähern Sie sich dieser Romantik seit Ihrem Einstieg beim SC Freiburg in diesem Sommer denn jeden Tag?

Theresa Merk: Tatsächlich habe ich noch kein gutes Fahrrad. Aber ich bin gerade dabei, mir eines auszusuchen. Das will im Schwarzwald auch wohl ausgewählt sein – denn damit kann man hier ja einiges machen. Aber ich wohne hier in Freiburg nur fünf Gehminuten vom Zentrum entfernt und brauche mit dem Auto auch nur fünf Minuten zum Dreisamstadion.

Sie wollten schon als Schülerin Fußballtrainerin werden, haben dafür sehr viel investiert. Wurde Ihnen das irgendwann auch mal zu viel?

Es gab für mich während meines Masterstudiums Sportmanagement einen Zeitpunkt, wo ich mir dachte: Jetzt möchte ich ein Auslandssemester angehen, möchte noch mal weg. Ich hatte alle Klausuren abgeschlossen – und es ging mir einfach nur um das Thema Sprache, darum, in einem anderen Land zu sein. Noch mal etwas zu erleben, bevor man in die Berufswelt einsteigt. Ich wollte mal das machen, was die anderen immer machen. Wenn zum Beispiel Sommersemesterferien waren, hatte ich immer Fußballvorbereitung.

imago
Im Interview: Theresa Merk

33, hat einen Master-Abschluss in Sportmanagement. Seit 2012 trainiert sie Fußballmannschaften und war später unter anderem Co-Trainerin beim VfL Wolfsburg. Mit Beginn der laufenden Saison übernahm sie den Cheftrainerinnenposten beim SC Freiburg.

Haben Sie dieses Auslandssemester letztlich gemacht?

Mehr oder weniger auf dem Weg dahin bekam ich vom Fußballverband Mittelrhein ein Jobangebot als Verbandssportlehrerin. Für das Auslandssemester war alles gebucht, ich hatte ein Zimmer in Molde. Doch wegen des Angebots habe ich drei Wochen vorher alles abgeblasen und im August 2016, anstatt nach Norwegen zu fliegen, einen Job angefangen. Auch weil mir klar war: Es gibt für Berufseinsteigerinnen nach der Uni nicht so viele hauptamtliche Jobs im Fußball. Und diese Chance muss ich jetzt ergreifen.

Haben Sie Ihre Entscheidung mal bereut?

Nein. Ich wäre super gerne für ein halbes Jahr in Norwegen gewesen. Aber da ich jetzt hier sitze, habe ich es aus beruflicher Sicht nie bereut.

Nationalstürmerin Alexandra Popp glaubt, dass Freiburg die Arrivierten Ihrer Branche – Wolfsburg und Bayern München – ärgern könnte. Sehen Sie Ihren Verein dafür schon bereit?

Klar ist das unser Ziel. Dass wir diese Klubs, wenn nicht jetzt in meiner ersten Saison hier, zumindest auf Strecke gesehen ärgern können. Von An-sie-herankommen zu sprechen, wäre zu viel. Weil der Abstand zu Wolfsburg, zu den Bayern mittlerweile einfach wahnsinnig groß ist. Er ist fast uneinholbar, wenn man nicht auf einmal extrem viel Geld investieren würde. Das passt aber auch nicht zu Freiburg, so tickt der Verein nicht. Und das ist auch völlig in Ordnung – weil ich mich mit den Werten des Vereins gut identifizieren kann.

An diesem Samstag empfängt Freiburg die Bayern zum Verfolgerinnen-Duell. Ist das eines der Spiele, vor denen es in Ihrem Kopf besonders rappelt?

Auf jeden Fall. Wobei die wichtigeren Spiele für mich immer die gegen die vermeintlichen direkten Konkurrenten sind. Denn gegen München – da erwartet eh keiner, dass wir gewinnen. Das sind geile Spiele, auf die ich mich immer freue. Denn eigentlich hat nur Bayern etwas zu verlieren, wir können an dem Spieltag nur gewinnen. Und das ist cool – wenn man befreit aufspielen kann.

Vor dem Engagement in Freiburg waren Sie ein Jahr lang beim Grasshopper Club Zürich. Wie groß sind die Unterschiede zwischen den beiden Vereinen?

Hier in Freiburg ist es schon deutlich besser. Die Grasshopper haben einen großen Campus für alle Teams, dementsprechend haben auch alle dieselbe Infrastruktur. Bis auf die Männer, die haben ihren eigenen Kabinentrakt. Trotzdem: Wenn es zum Beispiel darum geht, wann man den Kraftraum benutzen kann, wie die Platzbelegungsmöglichkeiten sind, oder ob man, wie wir jetzt hier, sein eigenes zu Hause hat, in dem man auf alles beliebig zugreifen kann – dann ist das natürlich ein Riesenschritt in Richtung Professionalität.

Hatten Sie in Ihrer bisherigen Trainerinnenkarriere das Gefühl, als Frau mehr Aufwand treiben zu müssen als der eine oder andere Mann – um ähnlich weit zu kommen?

Ähm … es ist insofern schwieriger, weil man als Frau einfach weniger Jobaussichten hat. Als Mann kann man in allen Bereichen arbeiten: bei den Frauen, in der Jugend, bei den Männern, beim Verband. Und wenn man ganz ehrlich ist, muss man sagen: Der Männerbereich ist für Frauen im Moment einfach zu. Punkt. Keine von den Frauen, die es bisher versucht haben, hat es geschafft, sich in dem Bereich zu halten.

Beim Fußballlehrerlehrgang, den Sie 2019 abgeschlossen haben, waren Sie die einzige Frau. Haben Sie sich dort akzeptiert gefühlt?

Ich muss wirklich sagen: Je höher die Lizenzstufe wurde, umso weniger blöde Sprüche gab es. Weil alle wussten: Hey, du musst ein gewisses Level mitbringen, um überhaupt hier zu sein. Trotzdem wird man als Frau natürlich erst mal geprüft. Als ich meine erste Lehrprobe gehalten habe, wurde anders hingeschaut als bei irgendeinem der Kollegen. Dasselbe galt aber auch für die Ex-Nationalspieler, die wir dabei hatten. In dem Lehrgang gab es im Nachgang immer Feedbackrunden. Dabei sagte ein Kollege, er sei am Anfang zwar nicht skeptisch gewesen. Aber er wollte schon gucken: Hey, geht das überhaupt? Kann die mit uns mithalten? Und nach den ersten zwei, drei Stunden sei dann klar gewesen, dass das überhaupt kein Thema ist.

Wer war das?

Cristian Fiél (lacht). Der war mit seiner spanischen Art emotional dann doch immer ein bisschen der …

… Macho.

Das haben Sie gesagt (lacht laut). Das ist nicht mein Zitat.

In der Bundesliga gibt es nur zwei Trainerinnen. Stört Sie das?

Ich bin ein großer Fan von Heterogenität. Deshalb finde ich es auch gut, wenn sowohl Männer als auch Frauen da sind. Weil es am Ende nicht um das Geschlecht geht, sondern um das Fachliche, um die Leistung. Und es gibt definitiv auch gute Männer. Trotzdem finde ich es ex­trem schade, dass es so lange gedauert hat, bis wir jetzt überhaupt mal zwei Frauen in der Frauen-Bundesliga sind.

Hatten Sie denn weibliche Kolleginnen im Kopf, die Sie gerne mit nach Freiburg geholt hätten?

Es gab schon zwei, bei denen ich mir das sehr gut hätte vorstellen können. Aber man muss halt auch immer schauen: Wie ist die Bezahlung auf so einem Posten? Was machen die Leute aktuell? Und lohnt es sich, dass sie ihren Lebensmittelpunkt aufgeben, um hierher zu kommen?

An das extrem abgehobene Konstrukt Männerfußball …

… kommt ja eh keiner ran …

… und will der Frauenfußball womöglich ja auch gar nicht herankommen. Sondern eine eigene, langsamere, kontinuierliche Entwicklung verfolgen. Wie sehen Sie das?

Es ist allgemein schwer, sich am Männerfußball zu orientieren, weil es einfach fernab von allem anderen und mittlerweile ein so wahnsinniges Geschäft geworden ist. Trotzdem: Sukzessive entwickeln, ist extrem wichtig, das gilt gerade für die Liga. Und da sehe ich schon einen Anknüpfungspunkt: Wir haben doch noch viele Vereine, die unter dem Dach von großen, etablierten Männerklubs laufen, die die Frauenabteilung aber sehr stiefmütterlich behandeln. Da kann dem Ganzen innerhalb des Vereins schon mehr Bedeutung beigemessen werden.

Wie finden Sie es in dem Zusammenhang, dass große Männervereine wie Dortmund und Schalke den Weg gewählt haben, ihre Frauenteams ganz unten in der Kreisliga B anfangen zu lassen?

(lacht dezent) Hm, hm. Also da bin ich zwiegespalten. Weil es für die Vereine natürlich ein einfacher Weg ist. Sie müssen jetzt erst einmal vier Jahre lang eigentlich sehr, sehr wenig investieren – bis sie überhaupt erst mal in Gefilde kommen, wo es um ein bisschen was geht. In dieser Zeit kann man sich das ganz gut anschauen: Okay, wo ist der Frauenfußball in vier Jahren? Ist der schon wieder halb vorbei, ist er abgeflacht? Müssen wir überhaupt noch? Wie machen wir weiter? Deshalb hält man sich mit so einer Vorgehensweise schon mal viel offen.

Was erhoffen Sie sich – sagen wir für die nächsten zehn Jahre – für den Frauenfußball? Gerade nach der sehr erfolgreichen EM in diesem Sommer.

Für den Frauenfußball wünsche ich mir ein kontinuierliches Wachstum – das sich irgendwann aber auch selber rechtfertigt. Eines, das nicht nur irgendwie von außen gepusht ist. Sondern eines, das es gibt, weil die Leute Bock haben, Frauenfußball zu gucken. Weil es eine coole Atmosphäre ist, weil man diesen Sport einfach schätzt. Und ich wünsche mir, dass viel mehr Spielerinnen in der Bundesliga Fußball auf einem professionellen Niveau betreiben können, was die Bezahlung angeht. Weil es einfach einen Unterschied macht, ob ich acht Stunden im Büro bin und dann Fußball spiele. Oder ob das einfach mein Job ist.

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