: Botschafter der Macht
Im Humboldt Forum zeigt sich an zwei Hockern der Benin-Bronzen, dass eine Rückgabe auch Vorteile haben kann – dank Kopien
Aus Berlin Susanne Memarnia
Die Benin-Objekte, lernen die Besucher*innen der neuen Ausstellung im Humboldt Forum in Berlin, waren eng mit der Produktion der Macht des Königs/Herrschers – in der Landessprache: Oba – verbunden. Dass viele aus Bronze oder Messing und damit extrem haltbar sind, hat seinen Grund: „Gedenken oder ‚sich erinnern‘ heißt in Edo wörtlich ‚ein Motiv in Messing gießen‘ “, so ein Erklärtext. Viele Bronzen sind „Gedenkköpfe“ von Obas oder „Altargruppen“, hergestellt im Auftrag eines Obas zu Ehren seiner verstorbenen Mutter.
Auch die beiden Hocker im zweiten Benin-Raum (Foto) – nur für eine Weile in Berlin zu sehen, bevor sie nach Nigeria zurückgehen – waren Insignien der Macht. Jeder Oba ließ sich seinen Hocker fertigen und stellte sich so in die Tradition der Vorfahren. Nur zu gerne hätte Berlin beide Stücke behalten, weil sie „schon immer zentrale Stücke der Sammlung“ waren, so der Direktor des Ethnologischen Museums, Lars-Christian Koch, zur taz. Doch seit Beginn der Gespräche mit Nigeria sei klar gewesen, dass Abba Isa Tijani, Generaldirektor der National Commission for Museums and Monuments, sie für sein Land zurückhaben wollte.
Tatsächlich sind es besondere Objekte: schon weil sie zeigen, dass es Rückforderungen aus Nigeria schon sehr lange gibt – anders, als es hiesige Museen über Jahrzehnte behaupteten. Bereits 1935, keine 40 Jahre nach der Zerstörung des Palastes von Benin City, verlangte der damalige Oba Akenzua II. sie zurück. Er erklärte sich sogar bereit, dafür zu zahlen.
Die britische Kolonialmacht musste allerdings erst mal recherchieren, wo die Hocker nach der Plünderung abgeblieben waren: In Berlin stellte sich heraus, dass das Museum sie auf einer Auktion ersteigert hatte. Doch die Berliner wollten die Hocker nicht verkaufen, lediglich Repliken wollte man dem Oba anfertigen – auf dessen Kosten, versteht sich. So gingen 1937 zwei neue Bronzegüsse für 1.582 Reichsmark auf Fahrt gen Benin.
Für Oba Akenzua war vermutlich vor allem der ältere Hocker, von Oba Esigie (ca. 1504–50) von Bedeutung. „Esigie war ein ganz wichtiger Herrscher, der viel für die Stabilisierung des Königreichs im 16. Jahrhundert getan hat“, erklärt Koch. Esigie soll fließend Portugiesisch gesprochen und gute Beziehungen zu den Portugiesen gepflegt haben. Womöglich war sein Hocker sogar ein Geschenk des portugiesischen Königs, schreibt die Kulturwissenschaftlerin Audrey Peraldi in einem Aufsatz von 2017. Auch Oba Eresoyen wollte im 18. Jahrhundert an den berühmten Vorgänger anknüpfen – sein Hocker, so Peraldi, ist nach Auffassung mancher Kunsthistoriker quasi eine Kopie des ersten Hockers.
In gewisser Weise typisch für den Umgang mit „ethnologischen Objekten“ ist auch: Obwohl die Hocker im Berliner Völkerkundemuseum schon vor hundert Jahren einen zentralen Platz hatten, wusste man damals nicht viel über ihre Funktion. Benutzten die Könige sie wirklich als Stuhl? Einige Berichte von europäischen Reisenden legten das nahe, andere bezweifelten es, hält Peraldi fest.
Der nigerianische Historiker und Künstler Sweet Ufumwem Ebeigbe schrieb dazu 2015: „Eine sehr wichtige Funktion der königlichen Stühle, die ein tieferes Verständnis der erzählenden Eigenschaft der Kunstwerke aus Benin geben kann, ist deren Gebrauch durch die früheren Könige Benins als ‚kommunikative Objekte‘.“ Die Stühle seien verschlüsselte Botschaften der Obas an ihre Vorfahren gewesen – „telegraphische Stühle“.
In der Berliner Ausstellung erfährt man davon leider nichts, wie überhaupt der Schaukasten mit den beiden Hockern und ihren Gipskopien daneben wenig erhellend ist. Immerhin zeigen die Kopien, wie man Bronzen oder andere „ethnologische Objekte“ ausstellen kann, wenn die Originale in ihr Ursprungsland zurückgegangen sein werden.
Tatsächlich kann man im hellen Gips die feinen Natur- und Tiermotive, Werkzeuge, Himmelskörper und so weiter, die das Weltbild Benins verkörpern, besser erkennen als auf den dunkel angelaufenen Bronzen. Zudem kann man Kopien eben auch zerlegen und so Unterseiten sichtbar machen, die im Original verborgen bleiben. Der Zwang zur Rückgabe, zeigt sich hier, hat eben seine Vorteile.
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