Berliner Szenen: Wenn der Besenwagen kommt
Wenn Marathon ist, schauen alle auf die Spitze, auf den Weltrekordläufer. Doch die wahren Dramen spielen sich am anderen Ende ab.
S onntag, Viertel vor eins, da könnte man sich ja mal den Berlin-Marathon anschauen, immerhin wohne ich direkt bei Kilometer 16. Ich latsche also vor zur Strecke, und als ich dort ankomme, bietet sich mir ein trauriges Bild: das absolute Ende des Feldes. Viele gehen nur noch, anstatt zu joggen. Stiere Blicke. Unrunde Bewegungen. Geplatzte Träume. Ausnahme: so ein Typ, der die gesamte Zeit einen Fußball mit den Füßen hochhält.
Der Start für die Marathonmassen war zwischen 9.15 Uhr und 10.35 Uhr. Fast alle hier sind also zweieinhalb bis drei Stunden unterwegs und haben gerade mal das erste Drittel geschafft. Haben die sich völlig überschätzt? Ist da was anderes schiefgegangen, Krämpfe, Wadenzerrung, Blasen, der berüchtigte Hungerast? Ich stelle mir vor, wie hoffnungsvoll die meisten noch morgens waren, und weine innerlich ein wenig.
Aber alle machen weiter. Schleppen ihre Körper voran, so weit es eben geht, Schritt für Schritt für Schritt. Und am Rand feuern immer noch freundliche Menschen an, eine Frau schaut den Läufern aufs Trikot und ruft „Super, Werner“ und „Auf geht’s, Monika“ und „Weiter so …, den Namen kann ich nicht erkennen“. Bis er anrollt, langsam, aber unaufhaltsam: ein Bus mit der Aufschrift „PrimaKlima Reisen“ (vorn) und „VIP Bus Service“ (Seite) – der Besenwagen. Er kommt vor mir zum Stehen, ein Mann schaut raus und grinst: „Heute 9-Euro-Ticket für umsonst.“ Zwei steigen ein.
Danach wird das Flatterband an der Strecke abgemacht. Auf den Besenbus folgt ein Konvoi aus Mülllastern, Polizeiautos, Lieferwagen, dem THW … Mit Pausen dauert das mehr als eine halbe Stunde. Vier Leute, die es sich auf dem Mittelstreifen auf Klappstühlen mit einem Kasten Sternburg bequem gemacht haben, beklatschen jedes einzelne Fahrzeug. Und fast jedes hupt laut zurück.
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