Zurückweisungen von Geflüchteten: Pushback auf Deutsch
Offenbar werden an der polnisch-deutschen Grenze Geflüchtete dazu gedrängt, auf Schutz in Deutschland zu verzichten. Diese Praxis muss beendet werden.
N icht vereinbar mit unseren fundamentalen Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte“, nannte der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Castellucci, das gewaltsame Zurückdrängen von Migrant:innen an der Grenze zwischen Polen und Belarus im vergangenen Herbst. Als „menschenunwürdig“ bezeichnete Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Vizepräsidentin des Bundestags, die Pushbacks.
Pushback, das offizielle Unwort des Jahres 2021, taucht im Vokabular deutscher Regierungspolitiker:innen immer dann auf, wenn vom Umgang mit Geflüchteten an den Außengrenzen anderer EU-Staaten die Rede ist. Dabei werden auch an den deutschen Grenzen Geflüchtete unter sehr fragwürdigen Umständen zurückgewiesen. Was von Hilfsorganisationen länger schon befürchtet wurde, hat die Bundesregierung nach einer Kleinen Anfrage der Linken nun bestätigt: Zurückweisungen von Asylsuchenden aus Drittstaaten sind auch gängige Praxis an der deutsch-polnischen Grenze. Dabei wurden offenbar keine Schläge verteilt, kein Pfefferspray versprüht und keine Waffen eingesetzt, wie in Polen, Kroatien oder Griechenland.
Die deutsche Art, Asylsuchende wenige Meter hinter der Grenze abzufangen und wieder zurück zur Grenze zu bringen, ist sanfter, perfider. Die Betroffenen werden unter Druck dazu gebracht, zu unterschreiben, dass sie keinen Schutz in Deutschland suchen und aufgefordert, zurück nach Polen zu gehen. Damit sind die Behörden juristisch fein raus. Ganz gleich, ob die Asylsuchenden aus Syrien, Afghanistan oder dem Jemen stammen.
Die Zahl der Zurückweisungen an der deutsch-polnischen Grenze hat sich im Vergleich zum vorigen Jahr verdoppelt. Die Flüchtlingsräte in Sachsen und Brandenburg beobachten, dass derzeit immer mehr Menschen aus Drittstaaten über die deutsch-polnische Grenze nach Deutschland fliehen. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für die sonst so wortgewaltigen Mitglieder der Regierung, das Vorgehen an der eigenen Grenze genauso scharf zu kritisieren. Und diese Praxis schnellstmöglich zu beenden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung