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Fall der Super League

Die chinesische Fußballliga war für viele Stars eine Goldgrube. Nach Finanzkrisen und „Null Covid“-Maßnahmen liegt sie nun in Scherben

Aus Peking Fabian Kretschmer

Das neue Arbeiterstadion im Pekinger Stadtzentrum steht sinnbildlich für den Zustand des chinesischen Fußballsports: Tag und Nacht haben Hunderte Bauarbeiter unter Hochdruck eine moderne Sportstätte hochgezogen, die nun – zwei Jahre nach Spatenstich – bereits kurz vor ihrer Vollendung steht. Geplant war nämlich, dass hier im kommenden Sommer die Finalteilnehmer der Asienmeisterschaft vor über 60.000 Zuschauern einlaufen sollten.

Doch wie es derzeit ausschaut, werden die Ränge des ikonischen Prestigeprojekts möglicherweise auf Jahre hinaus leer bleiben: Aufgrund der Covid-Beschränkung hat die Gastgebernation unlängst die Austragung des Turniers abgegeben. Und sogar Beijing Guoan, der traditionelle Fußballclub der Hauptstadt, ist mittlerweile ins 600 Kilometer entfernte Rizhao umgezogen, da die Einreisebeschränkungen nach Peking immer strenger wurden.

Wohl kaum eine andere Fußballliga weltweit wird nach wie vor derart von den Corona-Maßnahmen überschattet wie die chinesische „Super League“. Dieses Wochenende hat die „Null Covid“-Politik den Fußballsport sogar zum vollständigen Stillstand gebracht: Zwei Spieltage wurden aufgrund lokaler Infektionsausbrüche auf Ende September verschoben. Wann der Rest der Saison ausgetragen wird, ist weiterhin offen.

Sicher planen können die heimischen Fußballfans schon länger nicht mehr. Seit Anfang August wurden bereits 15 Spiele verschoben. Zuvor setzten die Organisatoren gleich mehrere Matches am Stück in ausgewählten Städten an, um unnötige Reisen der Teams zu vermeiden. Oftmals fanden die Spiele ohne Zuschauer statt.

Seit Beginn der Pandemie verfolgt die Volksrepublik China eine strikte Nulltoleranzpolitik, deren Prämisse sich bis heute nicht gewandelt hat: Das Virus soll in den eigenen Landesgrenzen vollständig ausradiert werden. Dementsprechend muss die Bevölkerung in praktisch sämtlichen Städten alle paar Tage zum Massentest antreten – und, sobald ein Infektionsausbruch registriert wird, einen strengen Lockdown befürchten.

Dass die epidemiologischen Maßnahmen auch die chinesische Fußballliga lahmlegen, ist durchaus erstaunlich. Denn noch vor wenigen Jahren schien ihr Aufstieg nahezu grenzenlos: Staatschef Xi Jinping, der selbst als Fan des runden Leders gilt, hat das Großprojekt Fußballmacht zur Chefsache erklärt. Ziel war es, die Volksrepublik China bis 2050 an die Weltspitze zu führen. Und die heimischen Unternehmen folgten in vorauseilendem Gehorsam: Immer absurdere Summen investierten sie in die chinesischen Klubs, die wiederum im Ausland auf Shopping-Tour gingen.

Dabei kauften die Teams nicht nur alternde Stars auf, sondern auch zunehmend Spieler auf der Höhe ihres Zenits. Der einstige brasilianische Nationalspieler Oscar wechselte etwa 2017 mit 25 Jahren nach Shanghai – für über 60 Millionen Euro Ablöse.

Der mittlerweile pensionierte Mittelstürmer Carlos Tévez wechselte ebenfalls 2017 nach Shanghai, wo ihm bei einer Vertragslaufzeit von zwei Jahren atemberaubende 40 Millionen Jahresgehalt zugesichert worden sein sollen. Das machte ihn damals zum bestbezahlten Spieler überhaupt. Nach sieben Monaten, in denen der Argentinier nur vier Tore schoss, kehrte er jedoch bereits in seine Heimat zurück. Seine Zeit in der Volksrepublik China bezeichnete der heute 38-Jährige als „Ferien“.

Die Pandemie traf im Grunde eine Sportbranche, die schon zuvor stark kriselte

Trotz der sportlichen Misserfolge wurde die „Chinese Super League“ von Europa sehr wohl mit Argus­augen betrachtet. Der damalige Chelsea-Trainer Antionio Conto sagte: „Der chinesische Markt ist eine Gefahr für alle. Nicht nur für uns, aber für alle Teams auf der Welt“. Man fürchtete, dass die Teams aus Fernost die heimischen Talente wegkauften.

Doch solche Ängste sollten sich nicht bewahrheiten – im Gegenteil. Die meisten internationalen Spieler haben das Land längst in Scharen verlassen. Schuld daran sind vor allem die Gehaltsobergrenzen, die die chinesische Liga 2020 eingeführt hat, nachdem einzelne Klubs bis zu 80 Prozent ihres Budgets in ausländische Transfers gesteckt hatten. Auch die anhaltenden Quarantänebeschränkungen haben die Attraktivität der Volksrepublik massiv einbrechen lassen.

Doch die Pandemie traf im Grunde eine Sportbranche, die schon zuvor stark kriselte. Das hat vor allem auch mit der wirtschaftlichen Situation des Landes zu tun. Insbesondere der Immobiliensektor zählt zu den offensichtlichsten Problemzonen, einige Experten sprechen bereits von einer Blase. Genau jene Industrie war jedoch überproportional als Fußballinvestoren vertreten.

Derzeit geht es längst für viele der 18 Teams nicht mehr nur um den sportlichen Erfolg. Ihr oberstes Ziel lautet derzeit: die Saison ohne Pleite zu überstehen.

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