Desinformation im Netz: Trolle nehmen sich Newsseiten vor

Das Bundesinnenministerium ist besorgt über die Zunahme von Desinformationskampagnen. Plattformanbieter sollen gegen falsche Nachrichten vorgehen.

Ein Köder für Angler

Achtung: Fakeaccounts in sozialen Medien dienen oft als Köder Foto: Kostrez/YAY images/imago

BERLIN taz | Auf den ersten Blick sind sie nicht von echten Nachrichtenseiten zu unterscheiden: Aufmachung, Farbgebung, Logos oder Schrifttypen kommen den Le­se­r:in­nen bekannt vor. Doch auf den Seiten werden erfundene Nachrichten, gefälschte Videos verbreitet. Fakeaccounts bei Facebook oder anderen sozialen Medien locken ahnungslose Nut­ze­r:in­nen auf die Propagandaseiten.

Auch in Kommentarspalten auf verschiedenen Newsportalen tauchen die digitalen Lockvögel auf. Wer genau sie geschickt hat, ist schwer herauszufinden. Dass sie einen politischen Auftrag haben, ist hingegen eindeutig. Eine aktuelle Recherche von t-online zeigt nun die Strategie und wie Verbreitung von gefälschten Nachrichten funktioniert. Das Portal konnte mehr als 30 neu registrierte Internetadressen enttarnen. Diese führten unter anderem zu t-online, aber auch zum Spiegel, zu FAZ, Welt oder Bild.

Das Bundesinnenministerium äußerte sich besorgt über diese Desinformationskampagne. Sie zeige exemplarisch das Ausmaß prorussischer Propaganda und Desinformation in Deutschland, teilte ein Ministeriumssprecher auf taz-Anfrage mit. Und: „Diese verfolgen das Ziel, Vertrauen in Politik, Gesellschaft und staatliche Institutionen zu untergraben.“ Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sei eine Zunahme festzustellen.

Für die Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag, Tabea Rößner (Grüne), zeigt der Fall eine neue Dimension „mit enormem Manipulationspotenzial öffentlicher Meinungsbildungsprozesse“. Gegenüber der taz forderte sie mehr Aufklärung, Medienkompetenz sowie eine konsequente Umsetzung des Digital Services Act, der EU-weit gelten wird.

Kampagnen sollen Vertrauen erschüttern

Laut Josef Holnburger, Poli­tik­wis­senschaftler und Geschäftsfü­hrer des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), ist die Nachbildung von Auftritten etablierter Medien, um Fake News zu verbreiten, in Deutschland bisher nicht bekannt, sie tauchten bisher etwa im Wahlkampf des ehemaligen US-Präsidenten Trump auf. „Weil der Zweck solcher Kampagnen die Destabilisierung und das Erschüttern von Vertrauen sind, müssen sie ernst genommen werden und sind als gefährlich anzusehen“, sagte Holnburger der taz. Über Reichweite und Erfolg könne man bisher nur spekulieren.

Derzeit sei es noch zu früh, um zu bewerten, wie stark die russische Regierung involviert ist. „Wir sehen hier oft auch „freiwillige“ Unterstützer, die bei solchen Kampagnen mitmachen oder Desinformationen erfinden.“ Aber: „Wir wissen, dass russische Desinformation vor allem nach dem Motto,viel hilft viel' gefahren wird: Es wird so viel Desinformation verbreitet, dass die Wahrheit dagegen nur klein und verloren wirkt.“

Im Kampf gegen die Verbreitung von Fake News setzt das Bundesinnenministerium auch auf die Betreiber sozialer Medien. Sie sollen transparente Regeln schaffen und diese konsequent umsetzen. Experte Holnburger zufolge haben viele Plattformen technische Verfahren entwickelt, um nicht-authentisches Verhalten zu entlarven. Damit sind sogenannte Bots gemeint. Allerdings sind auch diese Verfahren begrenzt. Es brauche vor allem personelle Kapazitäten, um in diesen Zeiten schneller solche Desinformationskampagnen aufzudecken.

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