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Fleißiges Bienchen

Simon Geschke gewinnt vorübergehend das Punktetrikot bei der Tour de France. Eine Seltenheit für einen deutschen Radler

Bissig am Berg: Geschke Foto: ap

Aus Châtel Tom Mustroph

Das Bienchen hat einen Namen: Simon Geschke heißt es. Bereits am vergangenen Freitag hatte sich der gebürtige Berliner auf den Weg gemacht, um erste Punkte fürs Bergtrikot zu holen. Er initiierte sogar die Gruppe, und fand einen frühen Begleiter im zweifachen Zeitfahrweltmeister Filippo Ganna. „Der wurde dann aber leider von seinem Team zurückgerufen. Das ist schade. Mit ihm hätten wir die Chance gehabt, einen größeren Vorsprung auf das Feld zu haben und vielleicht um den Tagessieg mitzufahren“, sagte Geschke später der taz. Statt Ganna schlossen dann weitere Profis zu Geschke auf, unter ihnen die beiden Bora-Athleten Lennard Kämna und Maximilian Schachmann. Drei deutsche Fahrer in einer Fluchtgruppe bei der Tour de France erlebt man auch nicht alle Tage. Die drei wurden sogar zu den prägenden Gestalten. Max Schachmann fuhr eine Zeit lang sogar im virtuellen gelben Trikot. Als der Vorsprung schmolz und Gelb nicht mehr realistisch war, fokussierte er neu und hielt das Tempo hoch, damit der kletterstärkere Kämna eine Chance auf den Etappensieg hatte.

Geschke sicherte sich derweil vier Bergpunkte. Er forcierte auch im Finale, bis Käm­na zu ihm aufschloss und an ihm vorbeizog. Geschke wurde dann vom Feld geschluckt, Kämna keine hundert Meter vorm Ziel gestellt. Geschke konnte sich als Initiator der Fluchtgruppe zumindest noch über die Ehrung als kämpferischster Fahrer freuen. „Ein Trostpreis nur, aber immerhin. Der Etappensieg wäre mir aber lieber gewesen“, sagte er der taz.

Zwei Tage später versuchte er es wieder mit einem Etappensieg. Dieses Mal hatte er aber noch ein Nebenziel: das gepunktete Trikot. Vier Zähler hatte er schließlich schon. Und der bisherige Bergkönig Magnus Cort Nielsen war gar nicht in der Gruppe dabei. Cort Nielsen hatte zuvor einen neuen Eichhörnchen-Rekord aufgestellt. In Dänemark und Frankreich siegte er bei elf Bergwertungen hintereinander. Damit übertrumpfte er den Spanier Federico Bahamontes. Der hatte seine Bergpreis­serie allerdings in den Pyrenäen und nicht auf den kleinen Kuppen in Dänemark und Nordfrankreich produziert.

Geschke wollte am Sonntag im Alpenvorland den neuen Rekordhalter ablösen. „Ich habe es schon in der Mannschaftsbesprechung am Morgen gesagt, dass ich in die Gruppe und auch das Trikot haben will“, erzählte er später.

In der Gruppe lieferte er sich einen heroischen Kampf mit dem späteren Tagessieger Bob Jungels um die unterwegs zu vergebenden Punkte. Am ersten Berg der 1. Kategorie überspurtete er den Luxemburger noch. Dann musste er ihn ziehen lassen. Jungels sicherte sich die zehn Punkte am zweiten Berg. Geschke lag da einen Punkt hinter Jungels im Gesamtklassement. Er musste einerseits verhindern, dass ihm weitere Fluchtgruppenmitglieder die Punkte wegschnappten und andererseits dem von hinten heranrollenden Feld standhalten. Beides gelang. Genau zwei Zähler holte Geschke.

„Jetzt hoffe ich, dass ich das Trikot auf der 10. Etappe auch tragen kann und Corona mir keinen Strich durch die Rechnung macht“, blickte er auf den großen Angstmacher des Ruhetages voraus. Für den sind Coronatests angesetzt, die am Montag aber alle negativ waren. Geschke verlor schon zwei Teamkollegen wegen Corona. Etappensieger Jungels, mit dem er lange in einer Atemwolke fuhr, war vor dem Grand Depart Corona-positiv, durfte wegen geringer Virenlast aber starten. Und in der Ausreißergruppe am Freitag trug ein mittlerweile wegen Covid aus dem Rennen genommener Profi zur kollektiven Atemwolke bei.

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