Neukölln-Komplex: Aufklärung kennt keine Sommerpause

Der Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Terrorserie in Neukölln hat seine Arbeit aufgenommen. Nun heißt es erstmal Akten wälzen.

Ferat Kocak (Die Linke) spricht während der Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus.

Ferat Kocak (Linke) ist Betroffener der Anschlagserie und Mitglied des Untersuchungsausschusses Foto: dpa/Wolfgang Kumm

BERLIN taz | Der Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex hat sich in seiner konstituierenden Sitzung am Donnerstag auf Verfahrensregeln geeinigt und zahlreiche Akten zur rechtsextremen Terrorserie angefordert. Diese sollen von den 13 Ausschussmitgliedern über die parlamentarische Sommerpause im „Selbstleseverfahren“ zur Kenntnis genommen werden. Der Ausschussvorsitzende Florian Dörstelmann (SPD) sprach im Anschluss an die knapp einstündige Sitzung von einer „ausgesprochen guten und sachlichen Atmosphäre“.

Vor dem Abgeordnetenhaus demonstrierten zeitgleich rund 40 Menschen für eine Aufklärung der rechtsextremen Anschlagserie

Vor dem Abgeordnetenhaus demonstrierten zeitgleich rund 40 Menschen für eine Aufklärung der Anschlagserie und forderten Konsequenzen für rechtsextreme Netzwerke und ihre Unterstützer*innen. Der Anfang Mai gewählte Untersuchungsausschuss soll das Behördenversagen in der „rechtsextremistischen Straftatenserie im Zeitraum von 2009 bis 2021 in Neukölln“ beleuchten.

„Die Erwartungen sind hoch“, sagte Niklas Schrader, der für die Linke im Ausschuss sitzt. Er kündigte an, die Sicherheitsbehörden nicht zu schonen und Fehler und Missstände konsequent aufzudecken. Zur Kritik, dass mit Ferat Kocak (Linke) ein Betroffener im Ausschuss sitzt sagte Schrader: „Ich sehe überhaupt kein Problem darin, dass er stellvertretendes Mitglied ist. Bei Themen, die ihn betreffen, wird er sich zurückhalten.“ Kocaks Auto war Anfang 2018 mutmaßlich von Neonazis angezündet worden. Die Sicherheitsbehörden wussten vor dem Anschlag, dass er im Visier von Neonazis stand, warnten ihn aber nicht. Kocak selbst hatte im Vorfeld angekündigt, sich aus dem Ausschuss zurückzuziehen, wenn auch die AfD dies tut.

Der Start des Untersuchungsausschusses, den Betroffene bereits seit vielen Jahren fordern, hatte sich verzögert, weil der Kandidat der AfD erst im dritten Anlauf eine Mehrheit erhielt. Der Vertreter der rechten Partei, die im Zuge des Neukölln-Komplexes immer wieder auftaucht, will den Ausschuss nach eigenen Angaben dazu nutzen, um zu zeigen, „dass die AfD mit diesen Sachen nichts zu tun hat“. „Der Ausschuss ist nicht dazu da, die AfD reinzuwaschen“, widersprach der FDP-Abgeordnete Stefan Flörster. „Die AfD ist im Bereich der Täter und nicht der Opfer anzusiedeln“, stellte er klar.

Erste Befragungen von Betroffenen wohl ab September

Die nächste Sitzung des Untersuchungsausschusses soll am 1. Juli stattfinden. Nach taz-Informationen sollen Anfang September die ersten Betroffenen befragt werden. Insgesamt 60 Fragen wollen die Abgeordneten abarbeiten, um Ungereimtheiten im Ermittlungsvorgehen der Behörden auf den Grund zu gehen. Ziel sei unter anderem, noch in dieser Legislaturperiode Handlungsempfehlungen für die Sicherheitsbehörden geben zu können, damit der Ermittlungsdruck bei rechten Anschlägen stärker wird, so der Grünen-Abgeordnete André Schulze.

Die rechtsextreme Terrorserie, zu der die Polizei seit 2016 mehr als 70 Taten gegen An­ti­fa­schis­t*in­nen zählt – darunter Brandanschläge, Sachbeschädigungen und Drohungen – ist bis heute nicht aufgeklärt. Ein Gerichtsverfahren gegen die zwei hauptverdächtigen Neonazis Sebastian T. und Tilo P. startet im August. Dass dies Auswirkungen auf die Arbeit des Untersuchungsausschusses haben wird, sei eher unwahrscheinlich, so Dörstelmann.

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