SiedlerInnen in Israel: Mit allen Mitteln
Israels konservative Opposition stimmt gegen die eigene Überzeugung, um die Regierung zu stürzen. Umgekehrt stecken die Linken im ähnlichen Dilemma.
E ndlich – nach fast genau einem Jahr mit an der Macht hebt ein Teil des linken Flügels von Israels Koalition schüchtern die Hand. Die Notstandsregelung, die israelische SiedlerInnen seit Beginn der Besatzung vor 55 Jahren so behandelt, als wohnten sie in Israel, soll vorerst nicht verlängert werden. Das würde kein Wahlrecht mehr für die nicht in Israel Lebenden bedeuten und keine Sozialversicherung.
Steuern würden künftig an die Palästinensische Autonomiebehörde gezahlt, und bei Strafverfahren ginge es ab vor ein Militärgericht. Gleiches Recht würde also für alle gelten, die in den noch immer besetzten Gebieten leben. Es wäre ein riesiger Erfolg für alle, die noch an die zwei Staaten – einen israelischen und einen palästinensischen – glauben. Vorausgesetzt allerdings, die Abgeordneten bleiben sich und ihrem Votum treu, denn bis Ende Juni gilt die alte Notstandsregelung, und noch ist das letzte Wort in der Sache nicht gesprochen.
Es ist absurd, dass sich die rechte Opposition, allen voran Israels früherer Regierungschef Benjamin Netanjahu, der Verlängerung der Notstandsregelung, die turnusmäßig jeweils alle fünf Jahre stattfindet, in den Weg stellt. Schließlich hatte Netanjahu wiederholt sogar eine Annexion von Teilen der besetzten Palästinensergebiete in Aussicht gestellt. Nun zieht er mit seinem Votum gegen die Regelung, die eben keinen Unterschied zwischen Israel und den Siedlungen macht, eine deutliche Trennlinie.
Für Netanjahu wiegen – wie stets – Inhalte und seine ideologische Überzeugung eben nicht so schwer wie sein Wunsch, die Regierung zu stürzen. Der Ball liegt nun in den Reihen der Koalition. Jetzt sind die Linken gefragt. Wie weit sind sie bereit, ihre ideologische Überzeugung zurückzustellen, um es nicht wieder schlimmer kommen zu lassen?
Schon drohen Neuwahlen. Schon steht Netanjahu in den Startlöchern, bereit für das nächste Comeback. Wollen gerade die arabischen Abgeordneten die erste Koalition zu Fall bringen, an der sie selbst teilhaben? Ein schwieriges Dilemma. Zu beneiden sind Israels Abgeordnete gerade nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos