Indigene in den USA: Gewalt und Missbrauch

Auch in den USA gab es Zwangsunterbringung indigener Kinder an Internaten. Ein neuer Bericht des Innenministeriums spricht von hunderten Todesfällen.

Deb Haaland blickt ernst zur Seite

Deb Haaland ist die erste indigene Ministerin der USA Foto: Stefani Reynolds/ZUMA Wire/imago

NEW YORK taz | Mehrere Hundert indigene Kinder sind in der Zwangsunterbringung an Internaten in den USA ums Leben gekommen. Wie ein neuer Bericht des US-Innenministeriums zeigt, starben allein in 19 dieser Schulen mehr als 500 Kinder – die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen. Die Untersuchung fand mehr als 50 Grabstätten an den Örtlichkeiten vor, die teils nicht einmal als solche markiert waren.

Zwischen 1819 und 1969 hat es demnach mehr als 400 solche Schulen für Indigene gegeben. Der Startschuss fiel mit dem „Indian Civilization Act“ aus dem Jahr 1819: Die Vereinigten Staaten setzten mithilfe von Kirchen eine Art staatliches Schulsystem um, bei dem nordamerikanische Ur­ein­woh­ne­r*in­nen im Kindesalter zwangsweise in spezielle Schulen außerhalb ihrer Herkunftsorte und Familien gesteckt wurden. Mit den Internaten hätten die USA ein doppeltes Ziel verfolgt, heißt es im Bericht – das „der kulturellen Assimilation und territorialen Enteignung von Ureinwohnern“.

Die Kinder sollten ihre Identität zurücklassen. Systematisch seien in den Schulen Methoden angewendet worden, um das zu erreichen: Sie bekamen neue, englische Namen, ihnen wurden die Haare abgeschnitten, ihnen wurde verwehrt, ihre Muttersprache zu sprechen oder ihre Religion auszuleben.

Dazu kam Misshandlung: „Grassierender körperlicher, sexueller und emotionaler Missbrauch, Krankheiten, Unterernährung, Überbelegung und Mangel an medizinischer Versorgung in indianischen Internaten sind gut dokumentiert“, heißt es im Report.

„Starkes Signal in Richtung Gerechtigkeit und Heilung“

„Die Folgen der Internatspolitik für Ur­ein­woh­ne­r*in­nen – einschließlich des generationsübergreifenden Traumas durch Familientrennung und kultureller Vernichtung – die Generationen von Kindern schon ab einem Alter von vier Jahren auferlegt wurden, sind herzzerreißend und unbestreitbar“, erklärte Innenministerin Deb Haaland. Sie stamme von Opfern des Internatswesens ab, für das genau das Ministerium verantwortlich sei, das sie heute leite. Haaland ist die erste indigene Ministerin der USA, sie zählt sich zum „Pueblo of Laguna“ im heutigen New Mexico.

Man werde nicht aufhören, sich dafür einzusetzen, „bis die Vereinigten Staaten den an den Kindern der Ur­ein­woh­ne­r*in­nen begangenen Völkermord vollständig aufklären“, sagte Deborah Parker von der Initiative NABS (National Native American Boarding School Healing Coalition) in einem emotionalen Statement zum Bericht. Der Bericht des Innenministeriums sei „ein starkes Signal des Fortschritts in Richtung Gerechtigkeit und Heilung für vergangene und künftige Generationen“, heißt es von Seiten der Organisation National Congress of American Indians.

Dem Report soll noch ein zweiter Teil folgen.

Im vergangenen Jahr hatten grausige Funde in Kanada die Öffentlichkeit wachgerüttelt. Auch dort hatte es sogenannte „residential schools“ für indigene Kinder gegeben, die meist von der katholischen Kirche betrieben waren. Im Sommer 2021 waren an den Standorten mehrerer solcher Schulen etliche unmarkierte Gräber sowie Überreste von Kinderleichen gefunden worden.

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