Wahlkampf in Kolumbien: Medellíns Bürgermeister suspendiert

Weil Daniel Quintero für Kolumbiens linken Präsidentschaftskandidaten wirbt, muss er gehen. Doch er könnte bald zurück sein.

Daniel Quintero.

Vorerst suspendiert: Medellíns Bürgermeister Daniel Quintero Foto: Mauricio Duenas/epa

BOGOTÁ taz | Das Video dauert fünf Sekunden und könnte Medellíns bisherigen Bürgermeister mit das Amt kosten. Es ist das aktuellste Beweismittel, mit dem die Leiterin von Kolumbiens Beamtenaufsichtsbehörde, Margarita Cabello, seine Suspendierung begründet. Quintero sitzt darin im Auto und schaltet. „El cambio, en primera“, sagt er. Für Kolumbianerïnnen ist klar: Damit meint Quintero nicht den ersten Gang, sondern den von dem linksgerichteten Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro beschworenen Wechsel – und einen Wahlsieg in erster Runde, ohne Stichwahl.

Doch die kolumbianische Verfassung verbietet es Staatsbediensteten, sich an Aktivitäten von Parteien oder Bewegungen zu beteiligen. Mit derselben Begründung zog Cabello auch den Bürgermeister von Ibagué aus dem Verkehr, der sich mit dem rechten Kandidaten „Fico“ Gutiérrez identifizierte. Er gilt als Bauernopfer, um Unparteilichkeit vorzutäuschen. Quintero ist Bürgermeister der zweitgrößten Stadt und bewegt die Gemüter.

Er und Kandidat Petro sprachen sofort von einem „diktatorischen Akt“ und einem „Putsch“. Vor dem Rathaus kamen Menschen zur Solidaritätsdemo zusammen. Erst dieses Wochenende wurde die Debatte wieder aufgewärmt, weil Quintero ein Video (angeblich aufgenommen von seinem Nachbarn) bekannt machte, das Petro zeigt, wie er nach einem Treffen mit ihm ins Auto steigt. Die überzogene Wortwahl lenkt vom ernsten Kern ab.

Konsens ist, dass Quintero sich mehrfach in den Wahlkampf eingemischt hat. „Das Gesetz ist nicht mehr zeitgemäß und gehört abgeschafft, aber derzeit gilt es“, sagt Daniel Libreros Caicedo, Spezialist für Verfassungsrecht an der Universidad Nacional in Bogotá. Was passiert, hält er dennoch für falsch. Denn es gilt nicht für alle gleichermaßen: Präsident Iván Duque und der Kommandant des Heeres, Eduar­do Enrique Zapateiro, hetzen seit Wochen gegen Petro. Beide sind weiter auf ihren Posten.

Die Suspendierung brachte dem Bürgermeister Zulauf

Der andere Aufreger ist die Beamtenaufsichtsbehörde. Die „Procuraduría“ist eine kolumbianische Besonderheit und seit Langem in der Kritik. 2013 suspendierte die Behörde Gustavo Petro aus dem Amt, damals Bürgermeister von Bogotá. Der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof verurteilte Kolumbien deshalb 2020. Begründung: Die Verwaltungsbehörde dürfe keinen gewählten Amtsträger suspendieren – das dürfe nur ein Gericht. Doch genau das ist wieder passiert im Fall Quintero.

Das alles ging offenbar nach hinten los. Quintero hat Beschwerde wegen Verletzung seiner Verfassungsrechte eingereicht. In den nächsten Tagen muss das Gericht entscheiden. Kurz vor der Wahl, am 29. Mai, könnte er wieder im Amt sein.

Die Suspendierung hat selbst Medellinerïnnen, die keine Fans von ihm sind, auf seine Seite gebracht. Manche Expertïnnen gehen sogar davon aus, dass die Suspendierung Quinteros’ kalkuliertes Sprungbrett für eine Präsidentschaftskandidatur sein könnte. Im zweiten Gang, sozusagen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.