Petition der Woche: Bildungsangebot ist Bayern zu teuer
Die Berufseinstiegsbegleitung hilft beim Übergang von der Mittelschule in den Beruf. Bayern möchte dieses Angebot nicht weiter finanzieren.
Ohne die Berufseinstiegsbegleitung wäre sie überfordert gewesen, sagt die 14-jährige Schülerin Lea Kalusche. Als die Schulsozialarbeiter:innen Vivian Tajtelbaum und Kerstin Grillmeier vor zwei Jahren in ihrer Klasse an der Mittelschule Unterschleißheim die „Berufseinstiegsbegleitung“ vorstellten, meldete sich Kalusche sofort an. Seither wird sie bei der Wahl und Vorbereitung einer Ausbildung unterstützt. Nach vier Praktika in der Kinderkrippe und im Kindergarten weiß sie, dass sie Erzieherin werden möchte. „Wir haben dann geschaut, welche Noten ich erreichen muss und welche Dokumente es noch für eine Bewerbung braucht.“ Derzeit macht Kalusche die 9. Klasse, einen Ausbildungsplatz als Erzieherin hat sie aber schon sicher.
So wie ihr wurden in den vergangenen Jahren vielen Schüler:innen in bayerischen Mittel- und Förderschulen erfolgreich zu einem Übergang von der Mittleren Reife zum Ausbildungsplatz verholfen. Im Schnitt werden die Jugendlichen ab der 8. Klasse für zweieinhalb Jahre bis zum Ende der Probezeit bei ihrer Ausbildungsstelle begleitet. Besonders für Schüler:innen aus benachteiligten Familien oder mit Eltern, die sich nicht mit dem deutschen Bildungssystem auskennen, sei es eine große Hilfe, sagt Grillmeier.
Sie arbeitet seit 11 Jahren als Berufseinstiegsbegleiterin. „Die meisten der Schüler:innen, die ich betreut habe, haben es in eine Ausbildung geschafft. Ein Schüler, dem ich es erst nicht zugetraut hätte, kontaktierte mich kürzlich, weil er den Meister machen möchte.“
Trotz dieser positiven Bilanz werden ab dem nächsten Jahr voraussichtlich keine neuen Schüler:innen mehr im Programm aufgenommen. Die Finanzierung durch den Europäischen Sozialfonds fiel vor vier Jahren weg, und die bayerische Landesregierung bewilligte die Fortsetzung der Förderung nur bis zum Ende dieses Jahres.
Ausbildungsmessen ersetzen keine intensive Begleitung
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Weil für die Schulsozialarbeiter:innen ein Ende der Begleitung nicht vorstellbar ist, kontaktierten sie Elternbeiräte, die Gewerkschaft und Politiker:innen der bayerischen Landesregierung. CSU-Abgeordnete verwiesen häufig auf Ersatzangebote wie Ausbildungsmessen und die Berufsorientierung des Arbeitsamtes. „Solche Veranstaltungen können aber in keiner Weise eine intensive Betreuung ersetzen“, sagt Grillmeier.
Gehör fanden sie dagegen bei den Grünen, der FDP und der SPD, die einen Antrag im Haushaltsauschuss einreichten. Darüber hinaus initiierte der Elternbeirat der Mittelschule Unterschleißheim eine Petition, in der er die Fortführung der Finanzierung fordert. So sollte mehr Aufmerksamkeit auf das Thema im Haushaltsausschuss gelenkt werden.
Ein Umdenken ist damit allerdings nicht erreicht. CSU, Freie Wähler und AfD stimmten mehrheitlich gegen den Antrag. Der CSU-Abgeordnete Matthias Enghuber sagte der taz, dass die Finanzierung vom Kultusministerium eingeplant werden müsse, man sich in der Koalition jedoch nicht darauf einigen konnte. Geld sei immer endlich.
Der Elternbeirat gibt sich nicht geschlagen. Nach dem Abschluss der Onlinepetition wollen die Eltern eine Petition im Bayerischen Landtag einreichen und neben der fortführenden Finanzierung eine feste Verankerung im Staatshaushalt einfordern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trump und Krypto
Brandgefährliche Bitcoin-Versprechen