Streit um A100 verlängert

Die Stadtautobahn wird weitergebaut, erklärt das Bundesverkehrsministerium. Das sei so nicht abgesprochen, kritisieren die Grünen im Bund und in Berlin

Die Polizei räumt eine Blockade der A100-Baustelle im Oktober 2021 Foto: Aaron Karasek/imago

Von Bert Schulz

Autobahn – das ist im 21. Jahrhundert ein Wort mit einem gähnend langen „Baaahnnn“ am Ende. Genauso überholt wirkte zuletzt die Debatte über die Verlängerung der Berliner Stadtautobahn 100 bis weit nach Friedrichshain, erst recht nach dem Regierungswechsel im Bund zur Ampel. Doch ausgerechnet das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium hat am Dienstag angekündigt, dass die Trasse durch innerstädtische Wohngebiete nun doch gebaut werden soll – und bringt damit die Grünen in Bund und Berlin auf Tempo 180.

Für den 17. Bauabschnitt sei am Dienstag die Ausschreibung der Planung erfolgt, sagte die Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Daniela Kluckert (FDP), in einem Interview mit der Berliner Morgenpost. Kluckert betont: Mit der Ausschreibung „ist nun auch klar, dass weiter gebaut wird“. Immerhin soll die Planung der Strecke noch einmal „unter Umweltgesichtspunkten und anderen Kriterien, wie des Verkehrsaufkommens oder der Lärmbelastung“, überprüft werden und dann bis 2025 feststehen.

Derzeit wird der aufwendige und teure 16. Bauabschnitt der Autobahn zwischen Neukölln und Treptower Park fertiggestellt. 2024 soll die drei Kilometer lange Strecke eröffnet werden. In Berlin war davon ausgegangen worden, dass dies der letzte Teil der Verlängerungen sei sollte. Die Grünen hatten im Wahlkampf sogar Pläne vorgestellt, Teile des 16. Bauabschnitts zu einer normalen Bundesstraße umzuwidmen und mit Radwegen zu versehen.

Neuer Zoff in der Ampel

Kluckerts Vorstoß sorgt denn auch für harsche Reaktionen bei den Grünen. Von einer „unnötigen Provokation der FDP“ und einem „Verstoß gegen Verabredungen im Koalitionsvertrag“ spricht Stefan Gelbhaar, Berliner Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Verkehrspolitik seiner Fraktion. Man werde das Vorgehen in der kommenden Sitzungswoche in mehreren Runden thematisieren. Im Koalitionsvertrag war ein „neuer Infrastrukturkonsens bei den Bundesverkehrswegen“ vereinbart worden. Projekte wie die Autobahnverlängerung müssten vorher zumindest zwischen SPD, Grünen und FDP abgestimmt werden, so Gelbhaar zu taz.

Als „Verkehrspolitik von gestern“ bezeichnet Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) die Ankündigung. Man brauche keine neue Autobahn in der Stadt, sondern die Mobilitätswende. Jarasch äußert aber zumindest die Hoffnung, dass „sich das Bundesverkehrsministerium hier noch eines Besseren besinnt“. Und Werner Graf, Fraktionsvorsitzender der Grünen, nennt die Ausschreibung eine komplette Fehlleistung sowohl verkehrs- wie sicherheitspolitisch. „Wie groß kann der Autobahn-Fetischismus eigentlich sein?“ Graf kündigt „erbitterten Widerstand aus Berlin“ an, sollte der 17. Bauabschnitt wirklich umgesetzt werden.

Das Land kann auch nicht viel mehr tun, als zu protestieren: Die Verlängerung der A100 ist in einem Gesetz festgeschrieben, das der Bundestag erst ändern müsste. Allerdings war man laut taz-Informationen in Berlin zuletzt nicht davon ausgegangen, dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing den Autobahnausbau tatsächlich angehen will. Auch Stefan Gelbhaar erkennt eine Inkonsequenz im aktuellen Vorstoß: „Erst kündigt Wissing an, eine Priorität auf die Sanierung etwa von Brücken zu setzen; nun kommt kurz danach der Vorstoß für ein Neubauprojekt – das passt nicht zusammen.“

Die Verlängerung der A100 war lange Jahre eines der bestimmenden Themen der Landespolitik. Grüne und Linke haben sich stets dagegen ausgesprochen, der Kurs der SPD war nicht immer eindeutig – denn die Kosten für die Straße trägt komplett der Bund: Für den 16. Bauabschnitt mit gut drei Kilometern Länge sind das inzwischen deutlich über 500 Millionen Euro. 2011 war am Streit um die A100 eine Koalition zwischen SPD und Grünen gescheitert. Im aktuellen Koalitionsvertrag hat man sich darauf verständigt, den 17. Bauabschnitt in dieser Legislatur nicht mehr in Angriff zu nehmen.