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Der Bund soll fürKuhbürsten zahlen

Wer zahlt fürs Tierwohl? Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) fordert mehr Hilfe für Tierhalter von Bundesminister Cem Özdemir (Grüne)

Das tut gut: automatische Bürsten­massage im Stall Foto: Uwe Zucchi/dpa

Von Nadine Conti

Sie wolle der sehr emotional geführten Debatte objektive Zahlen entgegensetzen, sagt die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast. Alle vier Jahre soll künftig ihr Bericht zur niedersächsischen Nutztierhaltung erscheinen, den ersten hat sie nun vorgestellt.

Der Termin ist mit Bedacht gewählt: Ab morgen tagt die Agrarminister*innenkonferenz, dann wird der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Farbe bekennen müssen.

Kinasts Stoßrichtung ist klar: Sie drängt darauf, dass endlich der Borchert-Plan umgesetzt wird. Der mühsam mit den unterschiedlichen Verbänden ausgehandelte Umbauplan für die Nutztierhaltung in Deutschland liegt nun schon seit zwei Jahren auf dem Tisch, gestritten wird vor allem um die Finanzierung. Aktuell sperrt sich auf Bundesebene vor allem die FDP dagegen, mit einer Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes oder einer neuen Abgabe auf Fleisch den überfälligen Umbau für mehr Tierwohl zu finanzieren.

Jetzt aber, sagt Otte-Kinast, müssten die richtigen Signale kommen, sonst werde man rund um Weihnachten mitansehen müssen wie weitere Betriebe aufgeben. Vor allem bei den Schweinehaltern haben im vergangenen Jahr so viele aufgegeben wie noch nie. Gebeutelt durch niedrige und schwankende Erzeugerpreise, die Schweinepest und wegbrechende Absatzmärkte in der Gastronomie durch Corona gerieten viele in die Krise.

Und dieses Mal, betont Kinast, geht es nicht wie früher einfach um Konzentrationsprozesse, also die Verlagerung auf weniger und dafür größere Betriebe. Zum ersten Mal sinkt nicht nur die Zahl der Haltungen, sondern auch die der Tierbestände insgesamt.

Die Anzahl der Schweine haltenden Betriebe hat sich zwischen 2010 und 2020 nahezu halbiert: Von 10.990 Betrieben auf 6.203. Bei den Rindern ist es nicht ganz so dramatisch, aber immer noch spürbar: von 17.781 Betrieben in 2016 auf 15.664 in 2020. Beim Geflügel sind die Zahlen weniger gut vergleichbar, weil das Verbot der Käfighaltung für einige Verschiebungen gesorgt hat.

Gut so, sagen viele Umwelt- und Klimaschützer, denen Viehhaltung als ineffektiv und schädlich gilt. Auch Özdemir sorgte mit dem Ausspruch, „weniger Fleisch zu essen, wäre ein Beitrag gegen Putin“, schon für Schlagzeilen und Diskussionen.

Noch nie haben so viele Schweinebauern aufgegeben

Dem hält Otte-Kinast entgegen, dass weniger Tiere in Niedersachsen nicht unbedingt bedeutet, dass auch weniger gegessen werden. „Wenn die Tiere anderswo gezüchtet und geschlachtet werden, haben wir die Bedingungen, unter denen das geschieht, nicht mehr in der Hand.“ Und das Getreide, was da im Futtertrog lande, sei ja für die menschliche Ernährung nicht geeignet, das simple Aufrechnen da oft zu schlicht gedacht.

Außerdem, sagt sie, werde auch die Gülle gebraucht – vor allem, wenn man nicht auf den teuren aus Russland importierten Mineraldünger zurückgreifen könne. „Ohne Dünger können Sie auch kein Gemüse anbauen.“ Wie sich diese Frontstellung zwischen den konservativen Agrar­mi­nis­te­r*in­nen und ihren grünen Amts­kol­le­g*in­nen auflösen lassen wird, müssen die nächsten Tage zeigen.

Ohne den Bund, auch das macht Otte-Kinast klar, geht jedenfalls gar nichts. „Wir brauchen die Gesetzgebung, weil der Umbau der Ställe derzeit durch das Immissions- und Baurecht ausgeschlossen wird.“ Und wer mehr Tierwohl fordere, müsse auch klären, wie die Bauern diese Umbauten stemmen sollen. Unter den gegebenen Bedingungen werden sie das nicht können – schon gar nicht, wenn jetzt noch die kriegsbedingt gestiegenen Futter- und Energiepreise zu Buche schlagen.

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