Kein Besuchsrecht für Syrerin: Frau S. darf nicht nach Bremen

Ein syrische Mutter mit Depressionen will ihre Kinder in Deutschland besuchen. Doch sie bekommt kein Visum – weil sie zur Geflüchteten werden könnte.

Menschen mit Koffern warten in einem Flughafen

Nicht jeder darf frei reisen: Dafür braucht es den richtigen Pass Foto: Marcus Brandt/dpa

BREMEN taz | Herr J. ist verzweifelt. „Es geht um Leben und Tod“, sagt er am Telefon. Zunächst einmal geht es aber vor allem um seine Mutter. Die will der Bremer gern nochmal sehen, zusammen mit drei seiner Geschwister. Doch er darf nicht. Jedenfalls nicht hier. Der Grund: Seine Mutter könnte ja zur Geflüchteten werden. Denn Frau S. lebt in Syrien. Käme sie aus der Ukraine, würde sie dieser Tage vielleicht sogar mit dem Auto abgeholt.

Herr J. wurde vor gut 40 Jahren in Damaskus geboren, lebt aber schon sein halbes Leben lang in Bremen. Hier führt er ein stylisches Restaurant, in dem auch die örtliche SPD manchmal feiert. Fast zehn Jahre schon hat er die deutsche Staatsbürgerschaft. „Ich habe mich immer an alle Gesetze gehalten und zahle jeden Monat pünktlich meine Steuern“, schreibt er dem deutschen Botschafter in Beirut.

Sein Begehr: ein Besuchsvisum, zumindest für seine Mutter. Seine Eltern leben beide in Syrien. Eine Schwester auch, die Brüder dank der Familienzusammenführung aber alle mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Seit sieben Jahren schon kämpfe er, sagt Herr J., doch vergebens: „Ich bin total verzweifelt.“

Die Entscheidung für solch ein Visum liegt bei der deutschen Botschaft. „Ich finde es unmenschlich, wie man dort mit meinem Fall umgeht. Ich kenne dies von Deutschland anders“, sagt er. Er versichert auch, dass er für alle Kosten bürgen würde.

Die Behörde äußert Zweifel

Mitte Januar bekam Frau S. zuletzt einen Ablehnungsbescheid zugestellt, ein Formschreiben mit der EU-Flagge drauf. Punkt 13 der 16 möglichen Ablehnungsgründe ist angekreuzt: „Es bestehen begründete Zweifel an Ihrer Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen.“ Begründet wird dann aber doch nicht näher. „Mit Verlaub“, schreibt J. daraufhin dem Botschafter: „Das kann ich leider absolut nicht nachvollziehen.“ Im Gespräch mit ihm fallen auch unfreundlichere Bewertungen der Sach- und Rechtslage.

Er fragt in Beirut nach. „Die Antragstellerin ist wirtschaftlich und sozial kaum in Syrien verwurzelt“, sagt ein Botschaftssprecher. „Sie ist nicht erwerbstätig. In der Kernfamilie ist eine starke Migrationsbereitschaft aus dem Bürgerkriegsland erkennbar.“ Also sei die sogenannte „Rückkehrprognose“ negativ ausgefallen.

„Sie kennen nichts anderes als Syrien, und was ihnen fremd ist, davor haben sie Angst“, sagt hingegen J. über seine Eltern. Zudem hätten sie zwei Häuser in Syrien, und Deutsch spreche seine Mutter auch nicht. Dass seine Mutter hierher nach Deutschland fliehen wolle – diese Vorstellung findet er „absurd“.

Um den Vorwurf der deutschen Botschaft nach Möglichkeit ein wenig zu entkräften und ihre „Rückkehrprognose“ zu verbessern, zog sein Vater den Antrag auf ein Besuchsvisum wieder zurück. Nur die Mutter sollte nach Bremen kommen. Genutzt hat es nichts.

Klage mit geringen Erfolgsaussichten

Doch wenn die vier Brüder sie „nicht bald in die Arme schließen können, wird sie sich etwas antun“, sagt J. 2018 attestierte ihr ein Arzt ein „depressives Syndrom mit zunehmender suizidaler Neigung“. Von „emotionaler Vereinsamung“ ist in dem ärztlichen Attest die Rede, und von „völliger Entfremdung ihrer Kinder“. Und weiter: „Medizinisch zwingend geboten ist die Unterstützung durch die auch im Ausland lebende Familie, da dem psychischen Druck mit der realen Gefahr suizidaler Gedanken nur so zu begegnen ist.“

Ein Schengen-Visum wurde aber bereits abgelehnt, sagt die Botschaft, eine Klage von Frau S. war erfolglos. Bei einer erneuten Klage schätze man „die Chancen auf einen Erfolg als äußerst gering ein“, heißt es bei der Botschaft in Beirut. „Vielleicht gibt es ja aber besondere Umstände, die der Botschaft bisher nicht bekannt waren“, schreibt diese. Doch eigentlich ist die Lage seit Langem unverändert.

Seine Mutter illegal hierher zu holen, das ist für den Sohn keine Option. Er selbst ist zwar zu ihr nach Syrien gefahren – für seine drei Brüder sei das aber keine Option: „Das Militär würde sie direkt an der Grenze festnehmen.“ Und jetzt? „Meine Familie ist kurz davor, an dieser Distanz zu zerbrechen“, sagt Herr J. – „und ich fühle mich einfach hilflos.“

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