Lafontaine tritt aus Linkspartei aus: „Eine Spur der Zerstörung“

Kurz vor der Wahl im Saarland hat Oskar Lafontaine seinen Austritt aus der Linkspartei erklärt. Die Reaktionen reichen von Bedauern bis zur Empörung.

Oskar Lafontaine

Ein Foto aus besseren Tagen: Oskar Lafontaine hat keinen Bock mehr auf die Linkspartei Foto: Alina Novopashina/dpa

BERLIN taz | Aus, Schluss, vorbei. Mit einem großen Finale tritt Oskar Lafontaine von der politischen Bühne ab. Einen Tag nach seiner letzten Rede im saarländischen Landtag und keine eineinhalb Wochen vor der Landtagswahl in seinem Heimatbundesland hat der 78-Jährige am Donnerstag seinen Austritt aus der Linkspartei erklärt.

Die Linkspartei habe den Anspruch aufgegeben, im politischen Spektrum eine linke Alternative zur Politik sozialer Unsicherheit und Ungleichheit zu sein, schreibt der 78-Jährige in seiner Austrittserklärung. Nach dem sozialen Profil sollten „jetzt auch noch die friedenspolitischen Grundsätze der Linken abgeräumt werden“, wirft er seinen bisherigen Ge­nos­s:in­nen vor.

Lafontaines Quintessenz: „Einer Partei, in der die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner und eine auf Völkerrecht und Frieden orientierte Außenpolitik nicht mehr im Mittelpunkt stehen und die zudem das im Saarland etablierte Betrugssystem unterstützt, will ich nicht mehr angehören.“

Lafontaines Abschied hatte sich abgezeichnet. Aufgrund der Querelen innerhalb seines Landesverbands hatte er bereits zur Bundestagswahl dazu aufgerufen, im Saarland nicht die Linkspartei zu wählen. Im September vergangenen Jahres kündigte er dann an, nicht mehr zur Landtagswahl anzutreten. Auf Bundesebene war hinter den Kulissen denn auch schon seit einiger Zeit darüber spekuliert worden, dass er die Partei verlassen wird. Die Frage war nur, wann und in welcher Form.

Lederer reagiert empört auf Lafontaines Austrittserklärung

In einer kurzen gemeinsamen Erklärung wiesen die Partei- und Bundesfraktionsvorsitzenden Janine Wissler, Susanne Hennig-Wellsow, Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch auf die „bleibenden Verdienste“ Lafontaines als Gründungs- und langjähriger Fraktionsvorsitzender hin. „Wir halten seinen Austritt für falsch und bedauern ihn“, verkündete das Führungsquartett. Lafontaine war von 2005 bis 2009 zusammen mit Gregor Gysi Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Bundestag und von 2007 bis 2010 neben dem inzwischen verstorbenen Lothar Bisky Bundesvorsitzender.

Oskar Lafontaine nach seiner letzten Rede im saarländischen Landtag am Mittwoch Foto: Becker&Bredel/imago

Auf die Verdienste in der Gründungsphase der Linkspartei verwies auch der Ex-Vorsitzende Bernd Riexinger. Lafontaines Austritt sei allerdings nur ein „trauriger Endpunkt einer langjährigen Entfremdung von seiner eigenen Partei, zu der er in den letzten Jahren kein solidarisches Verhältnis mehr gefunden hat“, sagte Riexinger der taz.

Mit Empörung reagierte Berlins Linksparteibürgermeister Klaus Lederer auf die Austrittserklärung Lafontaines. „Mich erschüttert und ärgert, dass er wiederholt den Mythos bedient, die Linke würde die soziale Frage vernachlässigen“, sagte Lederer der taz. Es sei „schon eine bizarre Leistung, so angestrengt die Augen zu verschließen vor dem, was unsere Mitglieder, Abgeordneten und Amts­trä­ge­r:in­nen in ihrer politischen Arbeit jeden Tag tun“.

„Lafontaine hinterlässt in seinem politischen Leben eine Spur der Zerstörung“, konstatierte die Berliner Landeschefin und stellvertretende Bundesvorsitzende Katina Schubert. „Das ist schade.“ Denn es brauche eine starke Linke, die für die Rechte der Ausgegrenzten, der Menschen mit niedrigen Einkommen, der abhängig Beschäftigten genauso eintrete wie für eine sozial gerechte ökologische Transformation, für friedliche Konfliktlösung und offene Grenzen für Menschen in Not.

Daphne Weber, Linkspartei-Bun­des­vor­stands­mitglied, bezeichnete es als „völlig unverständlich, dass er gerade jetzt austritt, wenn wir als einzige Friedenspartei geschlossen gegen den Krieg und das Milliardenaufrüstungspaket der Ampel kämpfen“. Ein Austritt zehn Tage vor der Saarwahl sei „ein Schlag ins Gesicht der ehrenamtlichen Genossinnen und Genossen im Saarland, die jeden Tag alles im Wahlkampf geben“, sagte Weber der taz.

Bitter ist der Abgang ihres einzigen Frontmannes nicht nur für Linkspartei im Saarland, die um ihren Wiedereinzug in den Landtag bangen muss. Nicht weniger zur Unzeit kommt er für die linken Wahl­kämp­fe­r:in­nen in Nordrhein-Westfalen, wo Mitte Mai gewählt – mit ohnehin schon düsteren Aussichten. NRW-Spitzenkandidat Jules El-Khatib äußerste sich vorsichtig-diplomatisch zum Austritt Lafontaines.

„Ohne ihn würde es die Linke in dieser Form nicht geben, ich bedauere seinen Austritt“, sagte El-Khatib. Dessen Erklärung, dass die Linkspartei nicht mehr für Frieden und soziale Gerechtigkeit stehe, teile er allerdings nicht. „Im Gegenteil, gerade erst hat die Linke im Bundestag als einzige klare Kante gezeigt gegen die 100 Milliarden Aufrüstung.“

Am Mittwoch war Lafontaine im saarländischen Landtag, dem er mit Unterbrechungen insgesamt 31 Jahre lang angehört hatte, mit vielen Dankesworten quer über die Parteigrenzen verabschiedet worden. Mit seinem Austritt aus der Linkspartei endet nun ein langes, nie unumstrittenes politisches Leben – vom Oberbürgermeister Saarbrückens, Ministerpräsidenten des Saarlandes über die SPD-Kanzlerkandidatur, den SPD-Bundesvorsitz und das Amt des Bundesfinanzministers bis zuletzt noch den Vorsitz einer der beiden Fraktionen der Linkspartei im saarländischen Landtag.

Und zum Abschluss bleibt die Verbitterung eines letztlich Gescheiterten.

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Am 27. März 2022 hat das Saarland einen neuen Landtag gewählt: Die SPD ist klare Siegerin. Daneben ziehen nur CDU und AfD in den neuen Landtag ein. Die Linkspartei, die Grünen und die FDP scheitern an der 5-Prozent-Hürde. Wer hat wie viele Prozentpunkte gewonnen? Wer verloren? Und wohin sind die Wäh­le­r:in­nen gewandert? Wie wurde in den Wahlkreisen gewählt?

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