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Eine Alternative für Impfängstliche

Corona-Impfungen mit Novavax-Präparat beginnen. Das RKI hofft auf einen Anreiz für Ungeimpfte. Die Zahl der Coronatodesfälle steigt wieder

Die Anzahl der Erstimpfungen ist auf weniger als 10.000 an einem Tag gesunken

Von Kathrin Zinkant

Quakenbrück gehört sicher nicht zu den Orten, die regelhaft im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen. Vergangene Woche aber kamen in der Bundeswehrkaserne der niedersächsischen Kleinstadt Impfstofflieferungen an. Lieferungen, auf denen große Hoffnungen ruhen. Nuvaxovid, der fünfte zugelassene Corona-Impfstoff, wird von Quakenbrück aus dieser Tage in die Bundesländer verteilt.

Weil das Vakzin keine mRNA enthält wie die Impfstoffe von Pfizer und Moderna, sondern in der Hauptsache aus Eiweiß besteht, schöpft nach eigener Aussage auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, Hoffnung. Er hofft, dass das neue Präparat „ein Anreiz für Unentschlossene“ sein könne, sich impfen zu lassen.

Erste Bundesländer begannen am Wochenende damit, das Präparat zu verabreichen. Am Montag wollen unter anderem Rheinland-Pfalz und Berlin nachziehen. Weitere Länder folgen im Wochenverlauf. Die Gesundheitsminister der Länder hatten sich dafür ausgesprochen, das Vakzin zunächst vorrangig ungeimpften Beschäftigten im Gesundheitswesen anzubieten.

Ob der Impfstoff des US-Herstellers Novavax die Impfängste der Bun­des­bür­ge­r:in­nen ausräumen kann, ist offen. Aus biomedizinischer Sicht gibt es jedenfalls wenig Anlass dafür, das neue Vakzin für überzeugender zu halten als die milliardenfach eingesetzten, eingehend studierten mRNA-Impfstoffe. Das oft als Totimpfstoff bezeichnete Nuvaxovid basiert letztlich sogar auf dem gleichen Prinzip wie Comirnaty von Pfizer und Spikevax von Moderna: Es stimuliert das Immunsystem, indem es ihm das Stacheleiweiß des Coronavirus präsentiert.

Im Fall der mRNA-Impfstoffe wird das Eiweiß direkt in den Körperzellen der Impflinge hergestellt, aus Schnippseln von mRNA, die anschließend rasch abgebaut werden. Nuvaxovid liefert das Eiweiß dagegen direkt in Form von proteinbeladenen Nanopartikeln, die gentechnisch in Insektenzellen produziert werden. Wer sich nun mit dem Novavax-Impfstoff immunisieren lässt, bekommt also eine ziemlich ähnliche Impfung wie die meisten bereits Geimpften, nämlich ein Viruseiweiß, an dem der Körper den Erreger erkennen lernen soll. Im Fall des neuen Vakzins allerdings noch mit dem Zusatz eines Wirkverstärkers, fachsprachlich Adjuvans, der in vielen konventionell hergestellten Vakzinen nötig ist – in den mRNA-Impfstoffen aber nicht.

In seiner Wirkung ist Nuvaxovid nach bisherigen Daten immerhin ähnlich gut wie die mRNA-Präparate, eine Impfung mit dem neuen Vakzin ergibt deshalb auf jeden Fall Sinn. Ob die Bereitschaft unter den Ungeimpften allerdings wachsen wird, nur weil der neue Impfstoff vom Konzept her weniger neuartig erscheint, bleibt bislang spekulativ. Die Statistiken lassen da nicht viel Gutes erahnen.

So wird zwar immer noch geimpft, täglich bekommen derzeit knapp 120.000 Menschen in Deutschland eine Spritze zum Schutz vor Covid. Der Anteil der Erstimpfungen ist allerdings auf weniger als 10.000 am Tag gesunken, sie machen damit nur noch rund 8 Prozent aller Vakzinierungen aus – und die Tendenz ist weiter abnehmend. Auch die Zahl der Zweitimmunisierungen und Booster nimmt seit Mitte Januar stark ab.

Da für eine solide Immunität drei Impfungen oder bei Genesenen zwei Dosen eines Vakzins nötig sind, ist kaum davon auszugehen, dass die nötige Impfbereitschaft und damit auch eine Impfquote von wenigstens 80 Prozent Dreifachgeimpften allein durch die Einführung eines neuen Impfstoffs erreicht werden kann. Zumal viele Bür­ge­r:in­nen nun vermittelt bekommen, eine Impfung sei nicht mehr zwingend nötig – und werde an einem nächsten Coronaherbst auch nichts ändern.

Dazu trägt vor allem die aktuelle Lockerungspolitik der Bundesregierung bei. Bis zum 20. März werden die Maßnahmen schrittweise aufgehoben. FDP-Justizminister Marco Buschmann sagte am Freitag, man wisse nicht, mit welchen Varianten man es im Herbst zu tun haben werde. „Wir wissen auch nicht, wie gut die Impfstoffe, mit denen wir jetzt arbeiten, bei anderen Varianten wirken“, sagte Buschmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Es ist aber belegt, dass die verfügbaren Impfungen nach dem Booster sehr gut und auch längerfristig schützen. Sie verhindern zwar Infektionen nicht sicher, senken jedoch das Risiko einer Ansteckung und bewahren Impflinge vor allen Dingen davor, schwer oder sogar lebensbedrohlich zu erkranken. Das galt und gilt für alle bisher aufgetretenen Varianten, wie zahlreiche Studien inzwischen belegt haben.

Die aktuelle Infektionswelle dauert unterdessen weiter an, die Inzidenz liegt weiter deutlich über 1.300. Sie sinkt zudem langsamer, als die Zahl der Todesfälle derzeit steigt. Im Durchschnitt sterben täglich wieder mehr als 200 Menschen, Anfang Februar waren es pro Tag 140.

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