kinotipp der woche
: Das Damals in Greifweite

Die Filmreihe „Materialität der Erinnerungen“ zeigt ein autobiografisches (post-)jugoslawisches Kino der letzten zehn Jahre

Szene aus Irena Vrkljans „Widmung für ein Haus“ (1966) Foto: SiNEMA TRANSTOPIA

Konzentriert sitzen die beiden jungen Männer dicht nebeneinander vor dem Monitor. Ihre vier Hände verteilen sich auf die Tastatur des C64, einer bedient den Nummernblock und die Pfeiltasten, einer den Buchstabenblock, um die beiden Figuren auf dem Bildschirm gegen die anstürmenden Monster des 80er-Computerspielklassikers „Wizards of Wor“ zu verteidigen. Ein neues Level ist in Greifweite. Für Momente klingen die ekstatischen Schreie der beiden wie eine CD mit Sprung. Die Videoaufnahme hat ein Datum eingeblendet: 13. 4. 1999, 22 Jahre bevor der Film entsteht, aus dem diese Szene stammt. Der kroatische Regisseur Ivan Ramljak rekonstruiert in „Once Upon a Youth“ das Leben seines Freundes Marko, des jungen Manns neben ihm vor dem Computer. Marko hat die Jugendzeit nicht überlebt, stirbt an Heroin und Alkohol. Ramljaks Film ist ein intimes Porträt und in vielen Einzelheiten doch auch zugleich das Bild einer Generation Jugendlicher in Kroatien.

Ramljaks Film wird die Reihe „Materialität der Erinnerungen. (Post-)Jugoslawische Erfahrungen“ beenden, die Borjana Gaković und Madeleine Bernstorff zusammengestellt haben. Die Mehrheit sind Dokus. Sie schlagen in der Erinnerung persönliche Töne an, nicht selten werden Familiengeschichten erzählt. Die Reihe unternimmt sogar einen Ausflug in die westdeutsche Filmgeschichte der 1960er. Irena Vrkljans melancholischer Kurzfilm „Widmung für ein Haus“ zeigt ein Haus in der Potsdamer Straße, Mitte der 60er noch knapp Westberlin, kurz vor dem Abriss. Fabian Tietke

SiNEMA TRANSTOPIA, 24.2.–18.3., Haus der Statistik - Haus B, Otto-Braun-Str. 72Die Langfassung auf taz.de/tazplan