piwik no script img

In Bangui steht Wagner auf dem Programm

Die Aktivitäten russischer Kämpfer in der Zentralafrikanischen Republik sorgen für Streit. Paris spricht von „systematischer Gewalt“, Moskau von „hysterischer Kampagne“

Propaganda­plakat zur Feier der Brüderschaft zwischen zentral­afrikanischen und russischen Streitkräften in Bangui Foto: Ashley Gilbertson/VII/Redux/laif

Von Dominic Johnson

Vor dem Hintergrund der Krisen in der Ukraine und Mali ist es am Dienstag im UN-Sicherheitsrat zu einem offenen Schlagabtausch zwischen Frankreich und Russland um ihre Rivalität in der Zentralafrikanischen Republik gekommen. In einer Debatte erhoben die USA, Frankreich und Großbritannien schwere Vorwürfe gegen russische Kämpfer, die die zentralafrikanische Regierung gegen Rebellen stützen. Von „systematischer absichtlicher Gewalt“ sprach der französische UN-Botschafter und von einer „Methode, Terror zu provozieren, um Kontrolle über Territorien zu erlangen und daraus Profit zu schlagen“. Die russische Vertreterin sprach von einer „hysterischen Kampagne“ gegen „unsere Spezialisten“.

Offiziell helfen nach Moskauer Angaben bloß 1.135 russische Militärberater beim Aufbau der zentralafrikanischen Streitkräfte. Westliche Schätzungen sprechen hingegen von 2.500 Söldnern des privaten russischen Sicherheitsunternehmens Wagner und lokaler Satellitenfirmen im Land. Sie kämpfen gegen Rebellen, schützen die Regierung, kontrollieren die Armee auf Stabsebene und nehmen an allen Sicherheitsberatungen teil. Russische Firmen sind auch tief in den Gold- und Diamantenhandel verstrickt.

Die Zentralafrikanische Republik ist seit neun Jahren zwischen unzähligen Warlordgebieten zerrissen. Der 2016 erstmals gewählte Präsident Faustin Archange Touadéra kontrolliert bis heute kaum mehr als das Gebiet rings um die Hauptstadt Bangui, eine aus knapp 12.000 Soldaten bestehende UN-Blauhelmmission sorgt für den Schutz der wichtigsten Städte und Fernstraßen. Dass das Land seit 2013 unter Waffenembargo steht, behindert aus Sicht von Präsident Touadéra den Aufbau einer effektiven Armee. Touadéra macht dafür die ehemalige Kolonialmacht Frankreich verantwortlich und hat sich Russland zugewandt. In Bangui wird die russische Militärpräsenz mit Medienpropaganda und Filmen glorifiziert, es gibt auch Fotos weißer Kämpfer mit Wagner-Armbändern.

In lokalen Medien ist auch häufig von brutalen Übergriffen der Russen die Rede: Tötungen, Entführungen, Erpressungen, Diebstähle, Vertreibungen. Im Januar nahm die UN eine Untersuchung über Massaker an bis zu 70 Zivilisten in zwei Orten nahe der Diamantenstadt Bria im Osten des Landes durch mutmaßliche Wagner-Kämpfer auf. Vergangenen Freitag klagte der Leiter der Untersuchung, Yao Agbetse aus Togo, in Bangui über „systematische Behinderung“ seiner Arbeit: „Es gibt Blockaden seitens der russischen Verbündeten“, die keinen Zugang zu den Massakerorten gewährten, sagte er: „Man könnte meinen, dass diejenigen, die so vorgehen, keine Wahrheitsfindung wollen.“

Die UN-Mission Minusca legte gleichzeitig in New York ihren neuen Viermonatsbericht vor, der von einem „negativen Verlauf“ der Sicherheitslage vor allem im rohstoffreichen Osten des Landes sprach. Regierungssoldaten und „andere Sicherheitskräfte“ – die UN-Umschreibung für die Wagner-Kämpfer – würden zahlreiche Verbrechen begehen. Die Regierung in Bangui müsse „sichtbares und sofortiges Handeln zur Prävention schwerer Menschenrechtsverletzungen durch nationale und andere Sicherheitskräfte vornehmen“.

Die Regierung in Bangui scheint davon unbeeindruckt. Am Montagabend wurden vier Leibwächter des französischen Generalstabschefs der UN-Mission Minusca, General Stéphane Marchenoir, am Flughafen von Bangui festgenommen, wo Marchenoir ein Flugzeug nach Paris besteigen wollte. Sie befinden sich seitdem in Haft unter dem Vorwurf, Präsident Touadéra ermorden zu wollen, der gleichzeitig vom EU-Afrika-Gipfel in Brüssel zurückkam. Die vier französischen Fremdenlegionäre seien in einem nicht als UN-Fahrzeug erkennbaren Auto „weniger als 30 Meter vom Konvoi des Präsidenten entfernt“ unterwegs gewesen, so die Staatsanwaltschaft in Bangui. Zeitgleich rief die regierungstreue Bewegung Talitha Koum in Bangui zu einem Sitzprotest vor dem UN-Hauptquartier gegen das „gefährliche Spiel der Minusca“ auf – nach Medienberichten mit russischer Finanzierung zum Rekrutieren von Demonstranten und Herstellen von Banderolen. Am Mittwoch rief UN-Generalsekretär ­António Guterres zur sofortigen Freilassung der vier Soldaten auf, die zum UN-Personal gehörten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen