Debatte über Tierwohl im Pferdesport: „Tiere zu Sportgeräten degradiert“

Die Vielseitigkeitsreiterin Julia Krajewski ist Niedersachsens Sportlerin des Jahres 2021. Die Tierrechtsorganisation PETA erhebt Einspruch.

Julia Krajewski springt auf ihrem Pferd Amande de B`Neville über ein Hindernis.

Im olympischen Finale 2021: Julia Krajewski mit ihrem Pferd Amande de B`Neville Foto: Friso Gentsch/dpa

OSNABRÜCK taz | Julia Krajewski ist sportliche Erfolge gewohnt. Ihr namhaftester: Olympisches Gold in Tokio, 2021. Vor wenigen Tagen hat die emsländische Vielseitigkeitsreiterin der Liste ihrer Siege einen weiteren hinzugefügt: Sie wurde zu Niedersachsens Sportlerin des Jahres 2021 gewählt. Federführend dabei war der Landessportbund Niedersachsen (LSB).

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der die Laudatio hielt, sagte, Krajewski habe „für ihren Traum alles gegeben“. Kein Wort davon, dass ein Reiter nichts ist ohne sein Pferd. Kein Wort davon, dass es oft die Pferde sind, die im Reitsport alles geben: viele ihre Gesundheit, nicht wenige sogar ihr Leben.

Vielseitigkeitsreiten ist ein Mehrkampf aus Dressur, Geländeritt und Springen. Seine Wurzeln liegen im Military, in Ausbildungsprogrammen für die Kavallerie. Dass Ex-Sportsoldatin Krajewski die Bundeswehr unter ihren Partnern und Sponsoren aufführt, passt also ganz gut.

Jana Hoger, Fachreferentin der Tierrechtsorganisation PETA Deutschland, kritisiert Krajewskis Auszeichnung als Sportlerin des Jahres gegenüber der taz als „falsches Signal“. In der heutigen, modernen Welt sei es „moralisch nicht vertretbar, fühlende Lebewesen einem solchen Zwang auszusetzen“.

Was sie Ministerpräsident Weil sagen würde, säße sie ihm gegenüber? „Der sogenannte Pferdesport ist in seiner derzeitigen Form von Missbrauch und Ausbeutung gezeichnet.“ Um Tierleid zu verhindern, dürfe dieser nicht mit Auszeichnungen unterstützt und gefördert werden.

Jana Hoger, Peta Deutschland

„Es geht darum, möglichst viel Profit aus den Tieren herauszuholen“

Vielseitigkeitsreiten, sagt Hoger, verlange den Tieren „unnatürliche Höchstleistungen“ ab, mit einer „enorm hohen Verletzungsgefahr“. Es gehe dabei nicht um das Wohl der Tiere, „sondern darum, möglichst viel Profit und Erfolg aus den Tieren herauszuholen“. Häufig werde dafür mit Druck gearbeitet, „in Form von Gewalt und Zwang“. Insbesondere beim professionellen Turniersport gehe es um die Befriedigung menschlicher Interessen. Hierbei würden „die sensiblen Tiere zu Sportgeräten degradiert, die auf den Punkt Höchstleistung bringen müssen, ob sie wollen oder nicht“.

Katharina Kümpel, Sprecherin des LSB, hält sich bedeckt, besonders beim Thema Tierschutz. Krajewskis Olympia-Gold sei der Grund ihrer Nominierung für die Wahl gewesen. „Dem LSB lagen und liegen keine Erkenntnisse vor, die einer Nominierung entgegengestanden hätten.“ Der Reit- und Fahrverein Lingen, dem Krajewski angehört, schweigt gleich ganz.

Die Niedersächsische Staatskanzlei verweist auf den LSB bei der Frage, warum es in Weils Augen einer Ehrung würdig ist, eine Sportart zu betreiben, bei der sich häufig Unfälle ereignen, die für die Tiere tödlich enden. Über Weil kein Wort. „Grundsätzlich gibt es auf zahlreichen Ebenen des Sports bereits eine intensive Diskussion um mehr Tierwohl im Pferdesport“, sagt Kathrin Riggert, Vize-Regierungssprecherin. „Diese sollte dort auch weiterhin geführt werden.“

Julia Krajewski selbst ist gesprächiger und möchte, dass sich Menschen von ihrem Sport selbst ein Bild machen. „Die Beziehung zwischen mir und meinen Pferden ist eine sehr partnerschaftliche und durchaus auch eine emotionale Beziehung im positiven Sinne.“ Der Umgang mit den Pferden sei „aus tiefer Überzeugung artgerecht, positiv und wohlwollend“. Ohne das Vertrauen zum Reiter und ohne die eigene Motivation des Pferdes seien die Leistungen nicht erreichbar. Zugleich räumt sie ein: „Schwarze Schafe gibt es in allen Bereichen des Lebens.“

Julia Krajewski, Pferdesportlerin

„Der Umgang mit den Pferden ist aus tiefer Überzeugung artgerecht, positiv und wohlwollend“.

Die PETA-Kritik weist Krajewski zurück: „Fachliche Erörterungen sind zulässig und erwünscht, insoweit sie objektiv und inhaltlich mit der notwendigen Expertise geführt werden. Das ist hier de facto nicht der Fall.“

Julia Basic, Sprecherin der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in Warendorf sieht das genauso. Peta gehe es nicht darum, sich differenziert mit dem Pferdesport zu beschäftigen. „Peta nutzt stumpf jeden Anlass, um Standardsätze zu veröffentlichen, die nur ein Ziel haben: das Verbot des Pferdesports in seiner Gesamtheit.“

Der Dachverband für Pferdesport und Pferdezucht sei „überzeugt, dass Pferdesport im Sinne des Pferdes betrieben werden kann“. Basic sagt, dass die „natürlichen Bedürfnisse des Pferdes, seine Gesundheit und sein Wohlbefinden immer im Mittelpunkt stehen“. Natürlich bleibe „immer ein Restrisiko, genau wie in vielen anderen Sportarten auch“.

Übrigens: Auch der Gewinn in der Kategorie Niedersachsens Mannschaft des Jahres 2021 geht an den Pferdesport, die Voltigiergruppe Fredenbeck. Auch vom Voltigieren hält PETA nichts: „Für die Fluchttiere ist dieses Herumturnen auf ihrem Rücken oftmals nur schwer zu ertragen.“

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