Die Wahrheit: Coronäre Quarantäne

Neues aus Neuseeland: Fast unmöglich ist die Einreise nach Aotearoa immer noch. Das rüttelt das Land zunehmend durch.

Als die Pandemie begann, war Jacinda Ardern noch der Anti-Trump. Nachdem sie uns zwei covidfreie Jahre bescherte, ist sie auch noch zum Anti-Boris aufgestiegen. Im Gegensatz zum britischen Premier hält sie sich an die Coronaregeln ihrer eigenen Regierung – was für sie eine Woche Homeoffice bedeutete. Bis Dienstag musste die Landesmutter in Selbstisolation, da sie auf einem Inlandflug mit Omikronfällen saß. Alles gut so weit. Ihr Test war negativ.

Negativ und gar nicht gut für die heilige Jacinda ist jedoch das Schicksal einer anderen berühmten Neuseeländerin. Charlotte Bellis, internationale Fernsehreporterin in Kabul, ging gegen die Staatschefin auf die Barrikaden, um die Rückreise in ihre Heimat zu erzwingen. Im siebten Monat schwanger will sie ungern in Afghanistan entbinden, wo eine Geburt lebensgefährlich sein kann. Für Belgien, das Land des Kindsvaters, bekam sie kein Visum.

Wie Hunderte von schwangeren Kiwis im Ausland scheiterte Bellis jedoch an der geschlossenen Grenze Neuseelands. Es gab keinen Platz für sie in der strengen Hotel-Quarantäne namens MIQ, die jeder bei der Einreise absitzen muss. Tausende, die ihre Kinder oder kranken Verwandten nur noch auf Zoom sehen, wollen rein. Es gibt nicht genug MIQ-Zimmer. Für eine Ausnahme muss man in eine der rigiden Notlagekategorien passen.

Nachrichten – hausgemacht

Bellis hatte kein Glück in der MIQ-Lotterie. Sie schrieb Anträge und reichte 59 Unterlagen ein, um ihre vertrackte Situation zu belegen. Keine Chance. Die Journalistin, die für Al Jazeera exklusive Interviews mit den Taliban geführt hatte, zog das letzte Register. Sie brachte sich selbst in die Nachrichten: Neuseeland sperrt sie aus, aber Afghanistan nimmt sie auf.

Es war Wasser auf die Mühlen aller Rechten und Querdenker, die Neuseelands Covidpolitik für barbarisch halten. Ardern, der Unmensch – grausamer als die Taliban! Aber es zog sofort. Charlotte Bellis darf zurück ins Land. Dass sie mit ihrem berechtigten Hilfeschrei auch bei Fox News auf Sendung ging, nimmt man ihr in der Heimat jedoch krumm. Das grenzt an Nestbeschmutzung und Pakt mit dem Feind.

Die größte Hasskampagne des neuen Jahres hat ein anderer berühmter Quarantäne-Absolvent ausgelöst: Robert Etheridge, bekannt als DJ Dimension. Im Gegensatz zu all den weltweit gestrandeten Kiwis durfte der Brite bereits zum dritten Mal während der Pandemie durch den eisernen Vorhang, um die Wirtschaft durch Plattenauflegen bei Musikfestivals anzukurbeln.

Drei Tage lang musste er sich nach einer Woche MIQ noch privat isolieren, um den letzten PCR-Test abzuwarten. Das war ihm zu lästig. Dimension besuchte Geschäfte und eine Bar, wo er mit Musikern anstieß. Ein Instagram-Video zeigte ihn am sommerlichen Weihnachtstag mit Drinks und Freunden am Strand. Da hatte er bereits Covid. Er war „Patient Zero“, der keinen Fötus nach Aotearoa brachte, sondern Omikron.

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Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

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kari

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