Befreiungsaktion in Texas: Mann nimmt Geiseln in US-Synagoge
Eine Geiselnahme in einer Synagoge in Texas ist mit einer Befreiungsaktion geendet. Über viele Stunden verhandelten Polizisten mit dem Geiselnehmer.
Der Geiselnehmer sei ums Leben gekommen. Wie genau, ließ die Polizei offen. Auch zu den Hintergründen der Tat hielten sich die Behörden bedeckt. US-Medien berichteten unter Berufung auf Ermittler, der Geiselnehmer habe eine Gefangene mit mutmaßlichen Verbindungen zur Terrorgruppe Al-Kaida freipressen wollen.
Der Mann hatte am Samstagvormittag (Ortszeit) während eines Gottesdienstes in der Synagoge der 26.000-Einwohner-Stadt vier Geiseln genommen und sich über Stunden mit ihnen in dem Gebäude verschanzt. Unter ihnen war der Rabbi. Der Gottesdienst wurde auf der Facebook-Seite der Gemeinde live übertragen.
Die lokale Zeitung Fort Worth Star Telegram berichtete, in dem Livestream sei die Stimme eines wütenden Mannes zu hören gewesen, der geschimpft und geflucht und unter anderem über Religion gesprochen habe. Er habe mehrmals gesagt, er wolle niemandem weh tun, und er glaube, dass er sterben werde. Irgendwann brach die Übertragung ab.
200 Polizist*innen samt Spezialeinheiten
Die Polizei rückte mit einem Großaufgebot von etwa 200 Beamten an – darunter Spezialeinheiten, die auf Geiselnahmen spezialisiert sind. Experten der Bundespolizei FBI hielten den Tag über mit dem Geiselnehmer Kontakt und verhandelten mit ihm.
Die Lage war lange unübersichtlich. Am frühen Abend kam die erste Entwarnung: eine männliche Geisel wurde freigelassen – unversehrt. Ein paar Stunden später verkündete dann der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, auf Twitter, alle Geiseln seien frei und in Sicherheit.
Der zuständige FBI-Beamte Matt DeSarno sagte, alle vier Geiseln seien wohlauf und unverletzt. Der Geiselnehmer sei identifiziert. Angesichts der laufenden Ermittlungen könne die Polizei aber keine näheren Angaben zu ihm machen. Umfangreiche Nachforschungen mit Blick auf sein Motiv und mögliche Kontakte seien im Gang.
„Unsere Ermittlungen werden globale Reichweite haben“, betonte DeSarno. Nach bisherigen Erkenntnissen sei der Geiselnehmer auf ein Thema fokussiert gewesen, das nicht speziell die jüdische Gemeinschaft betreffe. Der Polizeichef von Colleyville, Michael Miller, sagte, es sei bislang unklar, warum der Mann die örtliche Synagoge als Ziel ausgewählt habe.
Ging es um Aafia Siddiqui?
Mehrere US-Medien, darunter die Washington Post und der Sender CNN, berichteten übereinstimmend unter Berufung auf Ermittlerkreise, der Mann habe die Freilassung der pakistanischen Wissenschaftlerin Aafia Siddiqui aus einem nahe gelegenen Gefängnis in Texas erreichen wollen.
Siddiqui wurde im Juli 2008 im afghanischen Ghasni festgenommen und 2010 wegen eines Angriffs auf US-Soldaten in Afghanistan von einem US-Bundesrichter zu 86 Jahren Haft verurteilt. Beim Verhör auf einer Polizeiwache hatte sie eine am Boden liegende Waffe an sich genommen und auf einen US-Soldaten und einen Übersetzer gezielt, ohne diese zu treffen.
Siddiqui war zuvor in einer der Top-Universitäten der USA, dem MIT in Cambridge, ausgebildet worden. Später wurde ihr Name von US-Behörden auf eine Liste von Verdächtigen gesetzt, die mit Al-Kaida-Terroristen in Verbindung stehen könnten.
Die Polizei äußerte sich nicht zu dem Motiv des Täters. Offen ließen die Behörden auch, wie sich die Szene der Geiselbefreiung abspielte, wie der Geiselnehmer bewaffnet war und ob er von Einsatzkräften getötet wurde oder sich womöglich selbst das Leben nahm.
Biden: „Gegen Antisemitismus und Extremismus“
US-Präsident Joe Biden erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme: „In den kommenden Tagen werden wir mehr über die Beweggründe des Geiselnehmers erfahren.“ Er betonte, jeder, der Hass verbreiten wolle, müsse aber wissen: „Wir werden uns gegen Antisemitismus und gegen die Zunahme des Extremismus in diesem Land stellen.“
Der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett äußerte sich nach der Befreiung in einem Tweet erleichtert und dankbar. „Dieser Vorfall hat uns deutlich vor Augen geführt, dass Antisemitismus noch lebendig ist, und dass wir ihn weltweit weiter bekämpfen müssen.“
Behörden in anderen US-Städten, unter anderem in New York und Los Angeles, teilten mit, angesichts der Lage in Colleyville hätten sie ihre Präsenz an Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen aus Vorsicht vorerst verstärkt.
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