Neujahrsvorsätze für die Bewegung: Weniger rauchen, mehr besetzen

Auch für soziale Bewegungen lohnt es sich Ziele zu formulieren. Hier ein paar bescheidene Vorschläge, was wir 2022 alles schaffen könnten.

Ein vermummter Aktivist klettert zwischen zwei Bäumen während einer Baumbesetzung

Auch 2022 sollen wieder viele Wälder in Deutschland gerodet werden Foto: dpa

Was wäre ein Jahreswechsel ohne Neujahrsvorsätze? Ob mehr Sport machen, weniger trinken, mit dem Rauchen aufhören oder seit langem eingeschlafene Freundschaften reaktivieren – bei Vorsätzen handelt es sich immer um Dinge, von denen wir schon lange wissen, dass sie richtig sind, aber bisher aus verschiedensten Gründen nicht umsetzten konnten. Gleichzeitig gilt es auch, sich realistische Ziele für das kommende Jahr zu setzen.

Da dies hier eine Kolumne über soziale Bewegungen ist, wird es im folgenden nicht um neoliberale Selbstoptimierung gehen. Stattdessen gibt es ein paar (unvollständige) Vorschläge, welche Vorsätze sich die Bewegung für das noch frische Jahr 2022 nehmen könnte.

Neue Freiräume erkämpfen

Besonders in den letzten beiden Jahren sind zahlreiche linke Freiräume der kapitalistischen Stadtverwertung zum Opfer gefallen. Köpi-Wagenplatz, Meuterei, Drugstore, Potse, Liebig34 – die Liste ist lang. Daher wird es Zeit, 2022 endlich mal wieder ein paar neue Freiräume zu erkämpfen.

Einen guten Anfang gemacht haben schon die Be­woh­ne­r:in­nen des queerfeministischen Wagenplatzes Mollies. Nachdem sie von ihrem alten zu Hause an der Rummelsburger Bucht verdrängt wurden, haben sie nach langer Suche endlich einen neuen Platz gefunden. Vorraussichtlich Mitte Januar können die Be­woh­ne­r:in­nen dort einziehen.

Damit der Platz wie zuvor wieder zu einem Safer-Space mit Kulturangebot für Trans*, Inter*, nicht-binäre und viele andere Menschen wird, sammelt das Kollektiv Spenden für den neuen Wagenplatz (hier geht's zum Crowdfunding).

Auch die erfolgreiche Besetzung der Habersaath Straße im Dezember gibt Hoffnung. Auch wenn es sich laut dem Bezirk Mitte nur um eine vorrübergehende Lösung handelt, konnten noch vor Silvester die ersten 21 Be­woh­ne­r:in­nen einziehen. Da sie zuvor auf der Straße gelebt haben, benötigen sie zahlreiche Dinge, um ihr neues zuhause wohnlich zu gestalten. Gefragt sind daher vor allem Sachspenden, wie Geschirr, Steckdosen und Bettwäsche (Vollständige Liste hier, Abgabe im Kiezbüro der Habersaathstraße 48).

Klimakrise stoppen

Machen wir uns nichts vor: Ohne den Druck der Klimabewegung würde auch die neue Bundesregierung keinen Finger krum machen, um den CO2-Ausstoß Deutschlands ernsthaft zu reduzieren. Auch die schwache Hoffnung, dass durch ein Grün geführtes Verkehrsministerium zahlreiche geplante umweltzerstörende Infrastrukturprojekte überdacht werden, scheint sich erst einmal erledigt zu haben.

Doch zum Glück gibt es in ganz Deutschland zahlreiche Waldbesetzungen, die sich dem angesicht der Klimakrise wahnwitzigen Weiter-So entschlossen entgegen stellen (hier eine Übersicht). So zum Beispiel im nordrhein-westfählischen Osterholz, wo 5,5 Hektar gesunder Mischwald gerodet werden sollen um Platz für die Abraumhalde eines Kalkwerkes zu machen. Die Besetzung ist akut räumungsbedroht, wer also Lust hat ein paar Tage im Wald zu verbringen, ist herzlich willkommen.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Auch der Kampf gegen die Kohleförderung geht weiter: Trotz des beschlossenen Kohleausstiegs und des Pariser Klimaabkommens will das Cottbusser Braunkohleunternehmen LEAG im Tagebau Nochten bis 2037 weiter Kohle fördern. Die Cottbusser Umweltgruppe Grüne Liga wehrt sich gegen die Zerstörung von Wäldern und Dörfern und hat dazu ein Waldstück gepachtet, dass eigentlich abgebaggert werden soll und nutzt diesen nun für Bildungs- und Kulturveranstaltungen. Aktuell gibt es im Haus der Demokratie und Menschenrechte eine Austellung über den Kampf in der Lausitz; am Montag gibt es eine Vernissage (Vernissage: Montag, 10. Januar, 19 Uhr, Anmeldung erforderlich: umweltgruppe@kein-tagebau.de; Bis 26. Februar, Mo.–Fr. 12–15 Uhr, Greifswalder Straße 4).

An bestehende Kämpfe anknüpfen

Nicht zuletzt gilt es an bestehende Kämpfe anzuschließen. So wird es auch dieses Jahr wieder die Luxemburg-Liebknecht Gedenkdemo geben, bei der an die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts 1918 gedacht wird. Das diesjährige Motto ist „Dekolonisierung. Entmilitarisierung. Streik. Für eine kämpferische Antwort auf jede Krise.“ Obwohl die Demo jedes Jahr wieder auch ein illustres Publikum von Antizionisten, KPD-Greisen und FDJ-Cosplayer:innen anzieht, wäre es Schade das Gedenken an die beiden Re­vo­lu­tio­nä­r:in­nen einfach obskuren linken Randgruppen zu überlassen und keine eigenen Akzente zu setzen. So wird es auch einen antifaschistischen / internationalistischen Block geben (Sonntag, 9. Januar, Frankfurter Tor, 10 Uhr).

Ebenfalls schon zu (leider notwendigen) Tradition geworden ist die Oury-Jalloh-Gedenkdemo in Dessau, die jedes Jahr am 7. Januar dort stattfindet. Auch heute, 17 Jahre nachdem der Sierra-Leoner gefesselt in einer Polizeizelle verbrannte, wurde noch keiner der Tä­te­r:in­nen zur Verantwortung gezogen. Dabei verdichten sich Jahr für Jahr die Hinweise, dass Oury Jallohs Tod nur Mord gewesen sein könne. Zuletzt wurde im November ein neues Gutachten veröffentlicht.

Daher lohnt es sich, weiter Druck zu machen, um die Aufklärung des Falls voranzutreiben. Von Berlin aus gibt es eine gemeinsame Anreise mit Bussen (7. Januar, Ostbahnhof, 10 Uhr, 10€ pro Person, BIPOC frei).

In diesem Sinne – auf ein erfolgreiches 2022.

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