Berlins SPD stellt Se­na­to­r*in­nen vor: Rot-grün-rotes Team steht

Die Koalition bleibt, das Personal wird fast komplett ausgetauscht. In der SPD übernimmt Andreas Geisel das Bauressort, Spranger wird Innensenatorin.

Menschen stehen auf einem Podium und schauen in die Kamera

Giffeys Se­na­to­r*in­nen bei der Präsentation am Montag Foto: dpa

BERLIN taz | Die Berliner SPD hat es spannend gemacht. Man habe sich bewusst Zeit gelassen für die Entscheidung, wer für die stärkste Partei im neu aufgelegten rot-grün-roten Bündnis in die Regierung geht, sagt Parteichef Raed Saleh gleich zu Beginn der Vorstellungsrunde am Montagmorgen. Und die Spannung war berechtigt: Die SPD tauscht wie die Grünen ihr komplettes Personal aus; bei den Linken regiert nur Kultursenator Klaus Lederer weiter. Insgesamt acht der zehn Se­na­to­r*in­nen plus die Regierende Bürgermeisterin sind neu.

In der SPD dürfen nur Andreas Geisel und einige Staatssekretäre weitermachen, überwiegend aber mit neuen Aufgaben: Geisel wird Senator für Stadtentwicklung und Bauen; das Innenressort übernimmt SPD-Landesvize Iris Spranger, die zuvor als Kandidatin für das Bauressort gehandelt worden war.

Saleh und seine Co-Chefin Franziska Giffey, die am Dienstag vom Abgeordnetenhaus zur Regierenden Bürgermeisterin gewählt werden soll, haben sich für die Präsentation einen Ort mit viel Vergangenheit und Hoffnung auf die Zukunft ausgesucht: Der „Amplifier“ – auf Deutsch: Verstärker – auf dem ehemaligen Werksgelände der AEG im Wedding ist so eine Art Start-Up-Treffpunkt; altes Industrieambiete trifft hippe Latte-Machiatto-Arbeitswelt.

Auf dem Weg dorthin präsentiert sich indes ein Berlin, wie es sich Giffey explizit nicht wünscht: Auf den Bürgersteigen entlang des Geländes türmt sich abgeladener Müll von Farbeimern bis zum ausrangierten Regal. Drin unterm alten Industriekran stellt Giffey ein Team vor, das „für Balance und Kontinuität“ stehen soll, aber auch für Aufbruch. Und das in dieser Zusammensetzung kaum jemand erwartet hatte.

Andreas Geisel, der die Innenpolitik laut Giffey „modernisiert und professionalisiert“ habe, wird künftig die „Großbaustelle“ Wohnungsbau und Stadtentwicklung übernehmen – ein Amt, das der einstige Lichtenberger Bürgermeister bereits von 2014 bis 2016 inne hatte. „Geisel hat gezeigt, dass er es kann“, lobt Giffey.

Geisel selbst ist der Wechsel zurück in sein altes Ressort nicht leichtgefallen, wie er später sagt: Zwei Herzen würden da in seiner Brust schlagen, aber er freue sich gleichzeitig auf die neue Aufgabe. Er will das Bündnis für Wohnungsbau gemeinsam mit landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und privaten Investoren rasch auf den Weg bringen. „Wir brauchen private Bauherren, die sich für Berlin engagieren“, sagt der 55-Jährige; allein mit den sechs landeseigenen Gesellschaften sei das Ziel, 20.000 Wohnungen jährlich zu errichten, nicht zu erreichen.

„Wir haben nicht mehr viel Zeit“

Gleichzeitig will er den Kampf gegen Spekulation auf dem Wohnungsmarkt aufnehmen, gemeinsam mit mietenpolitischen Initiativen. Man müsse die in anderen europäischen Städten bestehende soziale Spaltung der Stadt verhindern. „Und wir haben nicht mehr viel Zeit“, sagt Geisel.

Auch Giffey betont, dass für sie die Interessen der Mie­te­r*in­nen durchaus Relevanz haben: Sie gibt einen ihrer Senatskanzlei zustehenden Staatssekretärinnenposten ab an die Stadtentwicklung: Ülker Radziwill wird Staatssekretärin für Mieterschutz.

Von der Schule in den Senat

Für Bildung waren im Vorfeld mehrere Namen gehandelt worden, aber Astrid-Sabine Busse nicht. Die 63-jährige Leiterin der Neuköllner Grundschule an der Köllnischen Heide und Chefin des Interessenverbands Berliner Schulleitungen soll als Frau aus der Praxis den Blick für die Realität in die Bildungsverwaltung bringen. „Ihnen muss man nicht erklären, was Schule in Berlin bedeutet; Sie wissen es“, sagt Giffey.

In der Bildungsverwaltung gebe es, ungeachtet der Tatsache, dass sie seit 25 Jahren von der SPD geleitet wird, „noch viel zu tun“. Sie wünsche sich mehr Fokussierung auf die Kinder; zudem müssten die Schulen und Kitas besser gemanagt werden. Busse soll als erstes Projekt die Wiedereinführung der Verbeamtung der Leh­re­r*in­nen umsetzen, sagt Giffey, und sich zudem intensiv um Digitalisierung und Schulbau kümmern.

Busse, die aus Anlass ihrer Berufung in die SPD eintritt, dämpft allzuhohe Erwartungen: Es werde „kein Weihnachtswunder geben“; gutes Lehrpersonal, bekanntlich schwer zu finden, herbeizaubern könne sie auch nicht.

Iris Spranger wiederum, geboren 1961 in Halle/Salle, darf fortan an das Innenressort leiten, inklusive Sport und Digitalisierung. Damit hat sie selbst offenbar nicht gerechnet. Sie übernehme ein sehr sortiertes Haus, sagt sie in Richtung von Andreas Geisel, mit dem sie sich noch mal intensiv besprechen werde: „Er gibt mir sicher einiges mit aus der Innenpolitik, ich gebe ihm einiges mit aus der Wohnungspolitik.“ Ob Geisel das braucht, sei dahingestellt.

Giffey jedenfalls kann die überraschende Personalrochade – Spranger ist seit Jahren Sprecherin der SPD-Fraktion für Bauen, Wohnen und Mieten – inhaltlich nicht begründen. Auf Nachfrage führt sie jedenfalls allein Argumente an, die für die Versetzung von Geisel sprechen. Spranger sei „eine Generalistin, eine Allrounderin“, die auf die erfolgreiche Arbeit von Geisel aufbauen könne und als erstes die jährlich vorgesehenen 700 zusätzlichen Stellen bei der Polizei besetzen soll. Dafür hat sie weiterhin mit Torsten Akmann einen erfahrenden Staatssekretär zur Seite. Immerhin: Mit Spranger wird erstmals eine Frau Berliner Innensenatorin.

Mann aus der Wirtschaft

Schließlich konnte die SPD mit Stephan Schwarz einen Menschen aus der Wirtschaft gewinnen. Der 56-jährige Schwarz führt das Familienunternehmen GRG – Großberliner Reinigungs-Gesellschaft. Auch hier zählt für Giffey das Praxisargument: „Ihm braucht man nicht zu erzählen, wie sich die Unternehmer der Stadt fühlen.“ Schwarz kündigt an, den Neustart für die Unternehmen nach Corona vorzubereiten und intensiv mit Brandenburg zusammen zu arbeiten.

Die designierte Regierungschefin betont an diesem Morgen auch ihr Chefsein. Sie wolle für alle Themen Verantwortung übernehmen, sagt sie gleich zu Beginn; die Senatskanzlei habe die Aufgabe, alle im Blick zu haben. Das ist so simpel wie wahr, aber zugleich auch eine Ansage an das Personal der beiden Koalitionspartner Linke und Grüne, Vereinbarungen einzuhalten. Ähnlich äußert sich Co-Parteichef Saleh: „Wir haben als SPD den Führungsanspruch, wollen aber mit den Koalitionspartnern gestalten. Dazu sind wir bereit.“

In einigen Bereichen drückt sich dieser Anspruch auch klar beim Personal aus. Tino Schopf, bisher verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion, wird Staatssekretär für Betriebe in der Wirtschaftsverwaltung. Giffey stellt ihn gleich als „Mister BVG“ vor, der sich „als eine seiner Hauptaufgaben“ um den von der SPD versprochenen Ausbau des U-Bahnnetzes kümmern soll. Konflikte mit der grünen Verkehrsverwaltung von Bettina Jarasch, die die Machbarkeitsstudien für den Ausbau vorgelegt hat, würden da nicht völlig überraschend kommen.

SPD-Chef Saleh spricht am Ende der Vorstellung von einem „bärenstarken Team“, das neben Senat auch Fraktion und Partei umfasse. Es sei keine Selbstverständlichkeit gewesen, dass die Ber­li­ne­r*in­nen die SPD gewählt haben. „Dafür sind wir dankbar. Diese Menschen wollen wir begeistern.“

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