Grüne Mobilität in Metropolen: In Paris wird es eng

Ambitioniert, aber bei der Umsetzung hakt es: In der französischen Hauptstadt zeigt sich, wie kompliziert eine Verkehrswende ist.

Radfahrer an einer Kreuzung mit Radweg in paris

Hauptsache, je­de:r weiß, wo es lang geht: Rad­le­r:in­nen in Paris Foto: Carreau/imago

PARIS taz | Mit der von Bürgermeisterin Anne Hidalgo forcierten grünen Verkehrswende soll Paris ein Radparadies wie Amsterdam werden. Aber davon ist die französische Hauptstadt noch weit entfernt. Immerhin: Es gibt sichtbare Fortschritte.

So sind im Zentrum echte Radwege eingerichtet worden. Auch das Mieten von Rädern und Elektro-Rollern haben die Stadtoberen erleichtert, was nicht nur die Tou­ris­t*in­nen schätzen, die trotz Corona-Restriktionen wieder mit den Rollern vom Eiffelturm via Invalidendom zur Notre-Dame eilen. Allerdings müssen Fahrräder und Trottinettes die Spur meist mit Bussen und Taxis teilen – wobei die Koexistenz nicht immer friedlich bleibt.

Dafür bringt die Senkung der Höchstgeschwindigkeit für die Motorfahrzeuge allen etwas mehr Sicherheit. Zumindest im Prinzip. Tatsächlich wird das neue Tempolimit bislang noch sehr wenig beachtet. Schon unser Test am ersten Tag war nicht ermutigend. „Mach mal Tempo!“, gibt uns der Beifahrer eines Pkw auf der Überholspur zu verstehen.

In vielen europäischen Städten wächst derzeit der Wunsch nach einer menschenfreundlicheren, weniger autozentrierten Verkehrspolitik. Mancherorts schreitet die Veränderung sehr schnell voran, woanders gibt es sehr große Probleme.

In einer kleinen Serie stellt die taz gute und schlechte Beispiele städtischer Mobilitätspolitik vor. Weitere Folgen: Berlin, Rom, Madrid.

Dabei zeigt die Nadel unseres Tachometers exakt auf 30 Stundenkilometer – und das ist ab diesem Tag, dem 1. September, in Paris die neue Höchstgeschwindigkeit. Die Drängler sind übrigens Polizisten in ihrem Dienstwagen. Zur ihrer Entschuldigung ist nur anzuführen, dass man mit der strikten Beachtung des limitierten Tempos tatsächlich ein Verkehrshindernis darstellt. Seit diesem ersten Tag mit Tempo 30 hat sich deshalb im Alltag nicht viel geändert.

Die rot-grüne Stadtregierung setzt Prioritäten. Und der motorisierte Individualverkehr, der zur Zeit von Jacques Chirac König der Straße war, kommt jetzt an zweiter oder dritter Stelle. Laufend verschärfte Bestimmungen sollen vermeiden, dass die Leute mit ihrem Privatauto in der Innenstadt herumkurven, statt die öffentlichen Verkehrsmittel oder das Fahrrad zu nehmen oder zu Fuß zu gehen.

Auto ohne Spaß

Überhaupt zielt die Verkehrspolitik von Hidalgo darauf, der Pariser Bevölkerung die Lust am Halten und Nutzen eines privaten Kraftfahrzeugs zu nehmen. So hat die Stadt in den letzten Jahren die Zahl der gebührenpflichtigen Parkplätze auf öffentlichem Grund massiv reduziert und die Tarife fürs Parken sowie die Geldbußen für Zeitüberschreitungen sehr deutlich erhöht.

Auch ganz wörtlich wird es für den Autoverkehr enger, weil wo immer möglich auf zweispurigen Straßen eine Fahrbahn für Bus, Taxi und Fahrräder reserviert ist. Das Konzept dieser Sonderspuren ist allerdings nicht immer leicht zu verstehen. Fast könnte man denken, dass die zuständigen Planer sich untereinander nicht einig waren und deshalb je nach Quartier unterschiedliche Versionen entworfen hätten.

Auf dem breiten Boulevard Montparnasse beispielsweise verlaufen die für Bus und Taxi reservierten Fahrbahnen beider Richtungen in der Mitte. Ein paar hundert Meter weiter muss man schnell umdenken: Die Privatfahrzeuge fahren nun plötzlich in beiden Richtungen links von den beiden Busspuren.

Stolperstein Beschilderung

An der Porte d'Orléans, die eine der wichtigsten Achsen und die Einfahrt von der Ringautobahn im Süden der Hauptstadt ist, staut sich der Autoverkehr unvermittelt in einem Flaschenhals. Denn die früheren drei Spuren wurden auf eine einzige Fahrbahn verengt, der restliche Platz ist auch hier für Räder und Busse reserviert. Das Problem: Weil die Beschränkung nicht deutlich angezeigt wird, stiftet sie vor Ort eine gefährliche Verwirrung, weil sich immer wieder Autos auf die falsche Spur verirren.

Manch einer fragt sich inzwischen, ob es nicht gescheiter wäre, den Autoverkehr gleich ganz aus dem Zentrum zu verbannen. So ist die fußgänger- und fahrradfreundliche Strategie auf halbem Weg ins Stocken geraten. Der Ausbau des Metro-, Bus- und Straßenbahnnetzes bleibt wie andere Pläne – etwa das Verbot von Dieselfahrzeugen oder des Transitverkehrs – vorerst ein Greenwashing-Versprechen im Hinblick auf Olympia 2024.

Die von Hidalgos sozialistischem Parteikollegen und Vorgänger Bertrand Delanoë eingeleitete Politik der Verkehrswende wird Umfragen zufolge bisher immer noch von einer Mehrheit der Ein­woh­ne­r*in­nen befürwortet. Nicht zuletzt dank ihrer positiven Bilanz bei der Förderung des Fahrradverkehrs wurde sie im letzten Jahr wiedergewählt.

Allerdings wird die Kritik an den negativen oder zum Teil kontraproduktiven Auswirkungen inzwischen lauter – womöglich auch, weil Hidalgo sich mit höheren Ambitionen jenseits der Stadtpolitik exponiert. Sie möchte bei der Präsidentschaftswahl im April für die Sozialisten antreten. Dass sich ihr bisher bester Leistungsausweis langsam aber sicher gegen sie wendet, wird es ihr nicht leicht machen, in der Spur zu bleiben.

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