Lutz van Dijk über Omikron und Reisebeschränkungen für Südafrika
: Der Egoismus der Reichen

Der südafrikanische Genetik-Professor Tulio de Oliveira war einer der Ersten, der die internationale Öffentlichkeit über die neue Corona-Virusvariante aufklärte – und seine besondere Gefährlichkeit hervorhob, was die globale Verbreitung und die Auswirkungen auf jüngere Menschen angeht. Seitdem überschlagen sich viele Länder darin, wie sie Südafrika und seine Menschen am besten isolieren können.

Der Präsident des Deutschen Ärztetages, Frank Ulrich Montgomery, verglich das neue Virus mit Ebola. Was für eine zynische Assoziation ohne jeden belegbaren Zusammenhang. Aber eine diffuse Angst vor Afrika ist schon mal benannt. Und es lenkt ab von einem anderen Zusammenhang, der wesentlich konkreter belegt werden kann: Der Fortschritt, den die Länder des Nordens betreiben, endet immer wieder mit der Ausbeutung des Südens. Während Professor de Oliveira weltweit zitiert wurde, wurde ignoriert, dass er gleichzeitig vor einer Isolierung und Diskriminierung Südafrikas warnte und eine Stärkung der Gesundheitsinfrastruktur weltweit forderte. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht es ebenso. Zu Recht beschwert sich die Regierung Südafrikas, dass das Land dafür bestraft würde, als Erstes die neue Variante erkannt zu haben.

Wenn reiche Länder die Impfstoffe horten, entstehen neue Varianten. Die ungerechte Verteilung ist das Problem. Die meisten internationalen Reaktionen auf Südafrikas neue Variante sind nicht nur egoistisch, sondern auch wirkungslos – es gibt keine Alternative zum Teilen des Impfstoffs.

Wann wird es Regierungen reicher Länder geben, die sich nicht nur „Mehr Fortschritt wagen“ auf die Fahnen schreiben, sondern endlich auch mehr globale Gerechtigkeit umsetzen? Warnungen hat es genug gegeben: Wenn nicht alle Menschen weltweit Impfschutz erhalten, wird sich das Virus nicht nur im Globalen Süden unkontrolliert ausbreiten. Es wird zu Mutationen kommen, die dann auch geimpfte Menschen in den reichen Ländern treffen werden. Genau an diesem Punkt sind wir jetzt.

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