Erbe von Ex-Kanzler Kurz: Neuer Stoff für Ermittlungen

Ein interner Bericht fördert Ungereimtheiten im Finanzministerium zu Tage. Dabei geht es um horrende Ausgaben für eine Meinungsforscherin.

Sebastian Kurz spricht mit weit geöffnetem Mund in ein Mikrofon

Besorgte sich gute Umfragen: Kurz im Wahlkampf 2017 Foto: Rudi Gigler/imago

WIEN taz | Die Hinterlassenschaften des Systems Kurz werden aufgeräumt. Am Donnerstag veröffentlichte das österreichische Finanzministerium einen internen Bericht, der schwere Unregelmäßigkeiten aufdeckte. Zentraler Kritikpunkt sind Zahlungen an die Meinungsforscherin Sabine Beinschab, die wohl in Zusammenhang mit manipulierten Umfragen im Auftrag der Kurz-Clique stehen.

Das Bild sei nicht rosig, sagte der Leiter der internen Revision, Hannes Schuh. Research Affairs, die Ein-Frau-Agentur von Beinschab, sei vom Ministerium mit einer Studie zur „Wirtschafts- und Budgetpolitik“ für knapp 35.000 Euro beauftragt worden. Ausgezahlt wurden 155.940 Euro. Hinweise auf die dahinter stehende Leistung fanden sich in den Unterlagen nicht.

Der Schluss liegt nahe, dass die undurchsichtigen Geschäftsbeziehungen in Zusammenhang mit dem „Beinschab-Österreich-Tool“ stehen. Dieses wurde durch veröffentlichte Chats des Kurz-Intimus Thomas Schmid bekannt. Sein von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beschlagnahmtes Handy enthielt über 300.000 Chatnachrichten, die den Rücktritt von Sebastian Kurz als Bundeskanzler und ÖVP-Chef nach sich zogen.

Unter anderem wird 2017 zwischen Schmid, Exfinanzminister Gernot Blümel und Kurz über nämliches Tool geredet, das dem damaligen Außenminister Kurz helfen sollte, Parteichef Reinhold Mitterlehner aus dem Amt zu mobben und dann ihn selbst zum Parteichef und Kanzler zu machen.

Salopper Umgang

Die mutmaßlich geschönten Umfragen, so suggeriert der Chatverlauf, seien in der Gratiszeitung Österreich – heute oe24 – veröffentlicht worden. Dafür gab es Inserate des Finanzministeriums, wo mit Schmid ein Vertrauensmann in zentraler Position saß. Sabine Beinschab, auch das geht aus den Whatsapp und SMS-Nachrichten hervor, sollte ihre Umfragen als Studien in Rechnung stellen.

Die Revision musste einen saloppen Umgang des Finanzministeriums mit seinem Geld konstatieren. Von 28 überprüften Studien, die von der Kommunikationsabteilung des Ministeriums in Auftrag gegeben wurden, seien 13 an Beinschab gegangen. Auf eine Ausschreibung wurde verzichtet, in 26 Fällen fehlten die Studienergebnisse und in zwei Fällen waren die Studien nicht mehr aufzufinden.

Sie betreffen die Beinschab-Studien „Nulldefizit“ und „Steuerentlastung“. Das Gesamtvolumen aller Studien beträgt laut Zahlung rund 1,2 Millionen Euro. Bemerkenswert ist auch, dass seit dem Wirken der Kurz-Seilschaft im Finanzministerium die Ausgaben der Öffentlichkeitsarbeit von 2,84 Millionen (2015) auf 13,22 Millionen Euro 2020 gestiegen sind.

Für die ÖVP rückte der Abgeordnete Christian Stocker aus, der in einer Presseerklärung festhielt: „Das Finanzministerium hat in seinem internen Revisionsbericht unmissverständlich klargestellt, dass es keinerlei Hinweise auf eine Involvierung von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz in die heute bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten gibt“.

Der Wahrheit nachgehen

Denn es habe sich ausschließlich mit Vorgängen während der „Amtszeiten von Hans-Jörg Schelling und Hartwig Löger, und nicht jene von Gernot Blümel“ befasst. Damit zeige sich einmal mehr, dass die „seitens der Oppositionsparteien vorgebrachten Vorwürfe der Faktenlage widersprechen.“

Der Wahrheit soll der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur „Inseratenkorruption der ÖVP“ nachgehen, der diese Woche eingesetzt wurde.

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