Studie mit Politiker-Tier-Vergleich: Ex-Kanzler Kurz als „eitler Pfau“

Für eine höchst umstrittene „Untersuchung“ erhielt eine höchst umstrittene Demoskopin in Österreich 155.940 Euro. Doch der Schwindel flog auf.

Sebastian Kurz umgeben von Reportern mit Kameras

Eitel ist er schon: Sebastian Kurz 2019 in Wien Foto: Leonhard Foeger/reuters

Sebastian Kurz ist wie ein Eichhörnchen: „Sieht süß aus und will hoch hinaus.“ Diese Zuschreibung kann man einer 2016 begonnenen Studie mit dem Titel „Wirtschafts- und Budgetpolitik“ entnehmen, die das österreichische Finanzministerium (BMF) bei der Demoskopin Sabine Beinschab in Auftrag gegeben hat. 155.940 Euro hat das 95 Seiten starke Papier gekostet, dem auch zu entnehmen ist, dass die Befragten in einer Familienaufstellung der Parteienlandschaft die ÖVP „als Vater, teilweise auch als Großvater“ sehen, „da die Partei konservativ wirkt und wenig Fortschritte erzielt“.

Das altväterliche Image der ÖVP aufzupolieren, das hatten sich damals die PR-Spezialisten von Außenminister Sebastian Kurz vorgenommen, der drauf und dran war, Parteichef Reinhold Mitterlehner wegzumobben und den Sozialdemokraten Christian Kern als Bundeskanzler abzulösen. Kern wird in der Studie als „eitler Pfau“ dargestellt und als Fuchs, „da er schlau ist und doch etwas hinterhältig, also nicht ganz durchsichtig“.

Veröffentlicht wurde die „Studie“ nie. Kenntnis von ihrer Existenz verdankt man den Chatprotokollen auf dem von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sichergestellten iPhone des Kurz-Vertrauten Thomas Schmid, der damals als Generalsekretär im Finanzministerium eine Kooperation mit dem Ein-Frau-Institut Research Affairs und dem Medienmogul Wolfgang Fellner einging. In dessen Gratisblatt Österreich wurden manipulierte Umfragen veröffentlicht, die die Machtübernahme von Kurz in der ÖVP vorbereiten sollten.

587.000 Euro für 28 unveröffentlichte „Studien“

Sabine Beinschab lieferte dem Finanzministerium zwischen 2017 und 2020 insgesamt 28 Studien und wurde dafür mit insgesamt 587.000 Euro entlohnt, wie es von offizieller Seite heißt. Eine Ausschreibung gab es nie. Diese im vergangenen Oktober bekannt gewordene Affäre führte dann im Dezember zum Rücktritt von Sebastian Kurz, der jetzt bei der Investmentfirma des Trump-Verehrers Peter Thiel im kalifornischen Silicon Valley als „Global Strategist“ anheuert.

Das Finanzministerium hat inzwischen im Zuge einer internen Revision „ein hohes Maß an Unregelmäßigkeiten“ bei der Auftragsvergabe konstatiert und nach langem Zögern vor wenigen Tagen die umstrittenen Studien auch online gestellt. Jetzt folgt eine Untersuchung durch die Finanzprokuratur, die versuchen muss, den Schaden für den Steuerzahler so gering wie möglich zu halten. Der Zivilrechtsprofessor Martin Spitzer von der Wirtschaftsuniversität Wien ist überzeugt, dass man die Aufträge rückabwickeln könne. Er sieht auch eine strafrechtliche Verantwortung der beteiligten Personen.

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*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

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