piwik no script img

Ampel plant neue Corona-Maßnahmen

Bund und Länder wollen Booster-Impfungen für Senioren beschleunigen und Coronaprämien für Kliniken reaktivieren. Impfpflichten sind unwahrscheinlich

„Mit einer Kündigungswelle rechnen wir beim Pflegepersonal nicht“

Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages

Von Jörg Wimalasena

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Während sich die Krankenhäuser mit Covid-Patienten füllen und die Zahl der Neuinfektionen erst am vergangenen Freitag mit 37.120 einen neuen Höchststand erreicht hat, trafen sich am Samstag Tausende Anhänger der Querdenker-Bewegung in Leipzig, um teils gewalttätig gegen die Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern zu protestieren. Unter anderem versuchten Demonstranten nach offiziellen Angaben, polizeiliche Absperrungen zu durchbrechen und Aufzüge zu starten. Einsatzkräfte wurden demnach unter anderem mit Gegenständen beworfen und mit Reizstoff besprüht. Sechs Beamte wurden laut Polizeiangaben verletzt. Das Unterfangen der Coronaskeptiker dürfte trotzdem erfolglos bleiben, denn nach einem Ende der Maßnahmen sieht es derzeit nicht aus – im Gegenteil.

Laut Informationen der Bild am Sonntag plant die sich formierende Ampel-Koalition ein Nachfolgegesetz für die Ende November auslaufende epidemische Notlage. Unter Berufung auf Verhandlungskreise berichtete die Zeitung, dass SPD, Grüne und FDP den Ländern weiter ermöglichen, Ungeimpfte etwa von Veranstaltungen und Restaurantbesuchen auszuschließen (2G-Regel). Zudem erwägt die Koalition in Wartestellung eine tägliche Testpflicht für Mitarbeiter und Besucher in Pflegeheimen – und zwar unabhängig davon, ob diese geimpft oder genesen sind. Einen ähnlichen Vorstoß hatten bereits die Gesundheitsminister der Länder bei ihrem Treffen Ende vergangener Woche angekündigt. Nun zieht der Bund offenbar nach.

Außerdem könnte laut Bild am Sonntag die Coronaprämie für Kliniken reaktiviert werden, die einen Teil ihrer Intensivbetten für Coronapatienten freihalten. Um die Booster-Impfungen bei Senioren zu beschleunigen, sollen Ärzte zudem verpflichtet werden, ältere Patienten anzuschreiben. Am Montag tagen die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP. Am 11. November soll dann das Ampel-Corona-Gesetz in den Bundestag eingebracht und am 18. November beschlossen werden. Einen Tag später soll dann der Bundesrat zustimmen.

Eine Impflicht soll es aber offenbar nicht geben. Vor allem die FDP hat sich in der Vergangenheit vehement dagegen ausgesprochen, und auch die geschäftsführende Bundesregierung ist dagegen. Allerdings wird der Ruf nach verpflichtenden Impfungen lauter. Der Marburger Bund fordert eine Impfpflicht zumindest für bestimmte Berufsgruppen. „Die Pflicht zur Schutzimpfung gegen das Coronavirus soll für Personen gelten, die in medizinischen Einrichtungen, Alten- und Pflegeheimen sowie Schulen und Kindertagesstätten tätig sind“, heißt es in einem Beschluss der Hauptversammlung.

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, unterstützt den Vorschlag. Eine Impfpflicht für Pflegekräfte sei notwendig, da es mit Appellen und Argumenten bislang nicht gelungen sei, zu einer ausreichenden Impfquote zu gelangen. „Mit einer Kündigungswelle rechnen wir beim Pflegepersonal nicht“, falls diese Pflicht eingeführt werden sollte, sagte er. Ein befürchteter Massenexodus von Pflegekräften hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch als Grund für seine Skepsis gegenüber einer Impfflicht für Krankenhausmitarbeiter angeführt.

Bei der Frage nach einer Wiedereinführung kostenloser Coronatests für alle zeichnet sich offenbar noch keine Entscheidung ab. Seit Mitte Oktober sind unter anderem auf Bestreben von Jens Spahn Covidtests in den meisten Fällen nicht mehr kostenlos. Nun fordern aber auch in dieser Frage Experten und Politiker ein Umdenken. Das Ende der Kostenübernahme für Bürgertests habe nicht dazu geführt, Impfunwillige zur Impfung zu motivieren, bilanzierte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bund und Länder sollten diese „Fehlentscheidung“ schnell korrigieren.

Die Rückkehr zu Gratis-Tests hatten zuvor auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Grünen-Chef Robert Habeck sowie Vertreter von Ärzten, Kommunen und Handel gefordert. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst verlangt kostenlose Coronatests für Geimpfte und Genesene. „Die hohen Infektionszahlen unter Ungeimpften führen zu immer mehr Durchbrüchen auch bei den Geimpften“, sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag.

Derweil haben mehrere Bundesländer wegen der angespannten Lage bereits ihre Corona-Restriktionen verstärkt. In Sachsen, wo die Wocheninzidenz am Sonntag laut RKI bei 444 (deutschlandweit: 191,5) lag, gilt von diesem Montag an in weiten Teilen des öffentlichen Lebens die 2G-Regel. In Bayern gelten bereits seit Sonntag schärfere Regeln. Zutritt zu Gasthäusern und Veranstaltungen in geschlossenen Räumen haben im Freistaat jetzt nur noch Geimpfte, Genesene und Menschen mit negativem PCR-Test.

meinung + diskussion

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen