Diskussion übers Abschießen: Niedersachsen und der böse Wolf

Ein CDU-Landtagsabgeordneter warnt bei jeder Gelegenheit vor der Bedrohung durch Wölfe. Als Chef der Landesjägerschaft müsste er aber neutral bleiben.

Ein Wolf vor einem Baum im Grünen

Könnte uns laut Dammann-Tamke bald in der Stadt begegnen: der Wolf Foto: Sina Schuldt/dpa

GÖTTINGEN taz | „Es ist nicht so wie in den Grimm’schen Märchen, dass Wölfe nur durch finstere Wälder streifen“, weiß Helmut Dammann-Tamke, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag. Angesichts des „exponentiellen Wachstums“ der Wolfspopulation hierzulande verbreitete er kürzlich in der Neuen Osnabrücker Zeitung Angst und Schrecken.

Es werde entsprechende Begegnungen auch in urbanen Zentren geben, die Bevölkerung in den Städten werde sich die Frage stellen müssen, „ob sie dem Raubtier weiterhin mit größtmöglicher Toleranz begegnen will und kann“. Anlass für die Äußerungen waren Berichte über eine Wolfssichtung in einem Stadtpark von Hannover, die mittlerweile aber als äußerst unwahrscheinlich angesehen wird.

Dammann-Tamke ist neben seinem Mandat als Abgeordneter auch Vizepräsident des Deutschen Jagdverbandes und Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen. Letztere ist in dem Bundesland mit dem Wolfsmonitoring beauftragt, also dem Beobachten, Zählen und statistischen Erfassen frei lebender Wölfe. Sie soll diese Tätigkeit gemeinsam mit den rund 100 Wolfs­be­ra­te­r:in­nen in den Landkreisen ausüben.

Der Umgang mit den Wölfen ist schwer umstritten. Von den Wolfs­be­ra­te­r:in­nenn erwartet die Landesregierung in Hannover strikte Neutralität. „Insbesondere eine neutrale Positionierung zum Thema Wolf gegenüber Nutztierhalterinnen und Nutztierhaltern und in der Presse ist Bestandteil dieser Grundsätze und Grundlage einer konfliktfreien Tätigkeit“, erklärte die Regierung im Februar 2021. „Genauso wie eine neutrale Kommunikation zu Entscheidungen des Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, für welches Wolfsberaterinnen und Wolfsberater im Ehrenamt tätig sind.“

Zwei Wolfsberater entlassen

Vorausgegangen war damals die Entlassung von zwei Wolfsberatern, die sich im Freundeskreis frei lebender Wölfe engagieren und sich kritisch zur Wolfspolitik des Landes geäußert hatten.

In der Logik des Landes müsste sich eigentlich auch die Landesjägerschaft neutral verhalten. Eine Anfrage der taz, ob die Vorgabe einer neutralen Positionierung zum Thema „Wolf“ auch für diesen Verband gelte, ließ das Umweltministerium bis jetzt unbeantwortet. Auf die Frage, wie das Ministerium die wolfskritischen Äußerungen Dammann-Tamkes in seiner Funktion als Chef der Landesjägerschaft bewertet, gab es ebenfalls keine Antwort.

Der Grünen-Landtagsabgeordnete und frühere Landwirtschaftsminister Christian Meyer kritisiert Dammann-Tamke scharf. Seine Doppelrolle als CDU-Parlamentarier und Präsident der Landesjägerschaft schade dem Ansehen dieses Verbandes, sagte Meyer der taz. Die Landesjägerschaft solle einerseits neutral das Wolfsmonitoring betreiben. „Andererseits stellt deren Präsident ständig populistische Forderungen nach Bejagung der Wölfe auf.“

Damit bezieht sich Meyer unter anderem auf Dammann-Tamkes wiederholte Warnungen vor Wölfen in Städten. Er könne niemandem garantieren, dass Begegnungen mit Wölfen immer friedlich verliefen, wenn beispielsweise der Gassi gehende Hund als Konkurrent erkannt und angegriffen werde, hatte Dammann-Tamke der Neuen Osnabrücker Zeitung weiter gesagt. In ländlichen Regionen sei dies schon länger so.

38 Wolfsrudel in freier Wildbahn leben nach Angaben der Landesjägerschaft in Niedersachsen.

Angriffe von Wölfen auf Menschen sind sehr selten. Obwohl die Zahl der Tiere in Europa seit 2000 angestiegen ist, gab es in diesem Zeitraum keinen bestätigten tödlichen Angriff.

Angesichts von Nutztierrissen ist Niedersachsen auf einen harten Kurs umgeschwenkt. Druck kam unter anderem vom Bauernverband Landvolk und der Landesjägerschaft. Mehrere Wölfe wurden schon erschossen, der Wolf soll ins Jagdrecht aufgenommen werden.

Umweltverbände wie der Nabu fordern dagegen mehr und einen besseren Herdenschutz.

Er gehe davon aus, dass die weitere Ausbreitung der Raubtiere die politische Diskussion alsbald verändern werde. „Wir kommen in Bundesländern mit großen Wolfsbeständen nicht um eine gezielte Bestandsregulierung herum“, nannte Dammann-Tamke sein eigentliches Anliegen. Meyer findet solche Forderungen „demagogisch“: „Er sorgt so nicht für mehr Sicherheit, sondern betreibt Hetze gegen Wölfe.“

Für eine Bejagung und eine „Obergrenze“ für Wölfe macht sich Dammann-Tamke nicht erst seit diesem Interview stark. In seiner Funktion als CDU-Abgeordneter war er im Landtag Mitinitiator eines Entschließungsantrags der Koalitionsfraktionen, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen.

Als Chef der Landesjägerschaft erklärte er schon 2016 der Bild seine Ansicht zu Rissen von Rindern im Kreis Cuxhaven: „Das Cuxhavener Rudel hat bereits eine Jagdlist zum Reißen großer Tiere wie Rinder entwickelt. Es treibt die Tiere in Gräben oder Moorlöcher, wo sie nicht mehr flüchten können.“ Wenn die Wölfe neue Rudel gründeten, gäben sie diese Taktik weiter. Das Problem werde sich also potenzieren.

Auch vom parlamentarischen Staatssekretär aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, Hans-Joachim Fuchtel, forderte Damman-Tamke vor gut einem Jahr ein „konsequentes Denken und Handeln in Richtung Wolfsmanagement“. Das vom Umweltministerium festgestellte brutale Quälen und Töten eines Wolfs im Landkreis Gifhorn im Juli 2019 bezweifelte er.

Im vergangenen November wurde ein Wolf im Landkreis Harburg angeschossen und schwer verletzt. Diese Tat verurteilte Dammann-Tamke allerdings: „Auch wenn die genauen Umstände noch unklar sind, hat sich die Person eines Artenschutzvergehens schuldig gemacht“, sagte er.

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