Tödlicher Angriff auf britischen Parlamentarier: Als Terrorakt eingestuft

Nach dem gewaltsamen Tod von David Amess ermittelt nun die Anti-Terror-Einheit. Laut Polizei gebe es eine mögliche Verbindung zum islamistischen Extremismus als Motiv.

Ein Herz-Luftballon mit der Aufschrift RIP We will miss you" schwebt über auf der Erde abgelegte Blumensträuße. Im Hintergrund Polizisten vor einem Haus

In Amess' Wahlkreis herrscht tiefe Bestürzung über den Tod des Unterhausabgeordneten Foto: dpa

LEIGH-ON-SEA/LONDON rtr/dpa | In Großbritannien ist der tödliche Angriff auf den konservativen Abgeordneten David Amess als Terrorakt eingestuft worden. Ersten Ermittlungen zufolge gebe es eine mögliche Verbindung zum islamistischen Extremismus als Motiv, teilte die Polizei von Essex in der Nacht zum Samstag mit. Die Anti-Terror-Einheit leite die Ermittlungen.

Der 69-jährige Amess war am Freitag bei einer Bürgersprechstunde in einer Kirche in Leigh-on-Sea östlich von London mit einem Messer attackiert worden. Der mutmaßliche Täter stach mehrfach auf ihn ein. Amess verstarb noch am Tatort. Die Polizei nahm einen 25-jährigen Mann fest. Sie geht davon aus, dass er alleine handelte. Wie die Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, soll es sich bei dem Verdächtigen um einen Briten mit somalischer Herkunft handeln.

Amess' Parteifreund Tobias Ellwood, der für seinen beherzten Erste-Hilfe-Einsatz nach einem terroristischen Angriff auf das Parlament im Jahr 2017 bekannt wurde, forderte am Samstag die Einstellung physischer Treffen von Angeordneten mit Bürgern, bis eine Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen durch das Innenministerium abgeschlossen ist.

Es ist bereits der zweite tödliche Angriff auf Parlamentsmitglieder binnen fünf Jahren. 2016 wurde die Labour-Abgeordnete Jo Cox nur wenige Tage vor dem Brexit-Referendum erschossen. Stephen Timms, ebenfalls Labour, überlebte 2010 einen Messerangriff in seinem Wahlkreisbüro.

Britische Abgeordnete, die alle direkt in ihrem Wahlkreis gewählt werden, bieten regelmäßig Sprechstunden mit Bürgern an, die auch kurzfristig besucht werden können. Die sogenannten „surgeries“ werden gewöhnlich einmal pro Woche abgehalten und gelten als wichtiger Bestandteil der demokratischen Kultur in Großbritannien.

Unterhauspräsident Lindsay Hoyle mahnte eine Debatte über die Sicherheit von Politikern an. Es sei aber „essenziell“, dass die Abgeordneten ihre Beziehung zu den Bürgern aufrechterhalten könnten, sagte Hoyle in der BBC am Freitagabend. Er selbst habe daher seine Sprechstunde selbst nach dem Attentat auf Amess abgehalten. „Wir müssen sicherstellen, dass die Demokratie das überlebt“, so Hoyle weiter.

Innenministerin Priti Patel kündigte am Samstag verschärfte Sicherheitsmaßnahmen für Abgeordnete an. „Es wird alles getan, damit die Parlamentsmitglieder sicher ihrer Arbeit nachgehen können“, sagte sie. „Wir leben in einer offenen Gesellschaft, einer Demokratie. Wir können uns nicht von einer Einzelperson einschüchtern lassen.“

Die britische Bevölkerung und Politiker zeigten sich entsetzt über Amess' Tod. Premierminister Boris Johnson besuchte den Tatort in dem südostenglischen Küstenort Leigh-on-Sea am Samstag. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie der Premier und Konservativen-Parteichef einen Kranz an der Kirche niederlegte, die am Freitag zum Schauplatz des Messerangriffs auf Amess wurde. Begleitet wurde er vom Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei, der ebenfalls einen Kranz niederlegte. Anschließend standen die beiden Politiker einige Zeit schweigend nebeneinander. Zum Gedenken wehten die Flaggen auf Regierungsgebäuden auf Halbmast.

Amess hinterlässt eine Frau und fünf Kinder. Der Katholik aus einer Arbeiterfamilie galt als erzkonservativer Brexit-Befürworter, der sich gegen das Recht auf Abtreibung und für Tierrechte einsetzte. Er war auch ein entschiedener Gegner der Fuchsjagd. Amess saß seit 1983 für die Tories im britischen Parlament, zuerst für den Wahlkreis Basildon, später für Southend West. 2015 wurde er von Königin Elizabeth zum Ritter geschlagen und trug seitdem den Titel „Sir“.

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