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Online-Plattformen in ChinaEin Land schließt die Pforten​

Mit Linkedin zieht sich die letzte westliche Online-Plattform aus China zurück. Die Volksrepublik schottet sich immer mehr vom Rest der Welt ab.

LinkedIn verlässt China aufgrund des Drucks der Zensurbehörden Foto: Eric Risberg/ap

Peking taz | In China ist die Sprache der Regierung nicht nur entkoppelt von der Realität, sondern steht oftmals im Gegensatz zu ihr: „Chinas Tür wird sich immer weiter öffnen und nie geschlossen werden“, sagte Xi Jinping am Donnerstag in einer Rede vor den Vereinten Nationen, die er mit einem mantraartig wiederholten Slogan übertitelte: „Mit der Welt verbunden bleiben“.

Doch in Wirklichkeit geschieht seit Jahren das exakte Gegenteil. Die Volksrepublik schließt ihre Pforten und kappt zunehmend die Verbindungen zum Ausland.

Jüngst zeigt sich dies am Beispiel LinkedIn: Die Online-Plattform fürs berufliche Netzwerken hat ebenfalls am Donnerstag bekanntgegeben, dass sie ihre chinesische Version aufgrund des zunehmenden Drucks der Zensurbehörden schließen wird. Vize-Präsodent Mohak Shroff schrieb euphemistisch von einem „deutlich schwierigeren Arbeitsumfeld und höheren Compliance-Anforderungen in China“.

Was wie eine triviale Randnotiz klingt, hat symbolischen Charakter: Das Karriere-Netzwerk war die letzte große Online-Plattform aus dem Westen, die in China noch zugänglich war. Facebook ist seit Jahren zensiert, Twitter, Instagram und Whatsapp ebenso. Auch Twitch, Snapchat, Gmail und Slack sind in China gesperrt. Selbst Skype und Tinder lässt sich in China nur installieren, wenn man über ein im Ausland angemeldetes Apple-Konto verfügt.

Profile über Nacht gesperrt

LinkedIn ist dabei nur die unweigerliche Blaupause für künftig wohl jedes größere internationale Unternehmen mit Präsenz in China. Bereits im März geriet der Online-Dienst von Microsoft wegen angeblich „zu laxer Inhaltskontrollen“ ins Kreuzfeuer der Behörden. Vorübergehend durfte Linkedin keine neuen User mehr in der Volksrepublik registrieren.

Als dies dann wieder möglich war, ging es mit einer beispiellosen Selbstzensur einher: Etliche Profile von westlichen Wissenschaftlern, Journalisten und Aktivisten wurden über Nacht in China gesperrt. Allein die Erwähnung des Tiananmen-Massakers von 1989, die Menschenrechtsverbrechen an den Uiguren in Xinjaing oder kritische Worte gegenüber Xi Jinping reichten, um auf die schwarze Liste zu kommen.

Schlussendlich geriet Linkedin ungewollt, aber unweigerlich, in einen geopolitischen Konflikt: In China stand man unter zunehmendem Druck der Behörden, während sich im Westen ein gehöriger Shitstorm zusammenbraute, weil sich Microsoft der chinesischen Zensur beugt.

„Soziale Netzwerke, die in China operieren, geraten zunehmend in die unmögliche Sackgasse zwischen chinesischen Zensurregeln und westlichen Werten“, meint Kendra Schaefer von der Politikberatung Trivium China. „Ehrlich gesagt ist es ein Wunder, dass LinkedIn in China so lange überlebt hat“.

Vielen Unternehmen gelingt der Drahtseilakt in China immer weniger: Adidas wurde monatelang boykottiert, nachdem der Sporthersteller angekündigt hat, aufgrund von möglicher Zwangsarbeit keine Baumwolle in der Region Xinjiang mehr beziehen zu wollen.

Fußballclubs wie der FC Bayern müssen ihren Spielern Maulkörbe verpassen, auf Twitter bloß nicht über Chinas Menschenrechtsverbrechen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren zu posten. Und bei Mercedes hat ein bloßer Instagram-Post mit einem Dalai Lama Zitat gereicht, dass die Vorstandsetage den Kotau in Peking machte.

Kaum Ausländer in China

Es ist ein gefährlicher Trend, der sich immer weiter verschärft: China schließt seine Pforten – nicht nur mit einem streng abgekoppelten Internet, das sich fast nur mehr als Intranet bezeichnen lässt. Auch innerhalb der Wirtschaft hat Chinas Staatsführung die Kontrolle erhöht und seinen Unternehmen Börsennotierungen in Übersee deutlich erschwert.

Vor allem aber gibt es seit Ausbruch der Pandemie keinen nennenswerten menschlichen Austausch zwischen China und dem Rest der Welt. Seit der Covid-19-Pandemie hat sich die Anzahl an Ausländern noch einmal halbiert, dabei lebten bereits vor der Krise mehr Ausländer in Belgien als unter den 1,4 Milliarden Chinesen. Selbst Staatschef Xi Jinping hat seit über zwei Jahren sein Heimatland nicht mehr verlassen und empfängt Staatschefs nur mehr per Videoschalte.

Natürlich will sich China nicht vollständig abkoppeln, jedoch zunehmend die Bedingungen für den Dialog bestimmen. Auch LinkedIn wird sich nicht ganz aus der Volksrepublik verabschieden: Mit InJobs wird man einen Relaunch starten, bei dem die Nutzer zwar von HR-Scouts rekrutiert werden können, aber selbst keine Postings mehr schreiben dürfen.

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14 Kommentare

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  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Haben nicht die USA China- Technologie auf den Index gesetzt? Wie sieht es in Amerika mit der Verwendung von sozialen Netzwerken wie WeChat aus? China wird nur solange Einschränkungen vornehmen, solange der Schaden berechenbar bleibt, genauso wie es die USA tun. Wie war das mit den in den USA Studierenden während der Coronasituation? Ich denke die Zeit der Kanonenboot- Politik ist vorbei. Zugang zum chinesischen Markt, gibt es nur gegen entsprechende Gegenleistung.

    • @97287 (Profil gelöscht):

      WeChat und alle anderen chinesischen Dienste sind in der freien Welt unbeschränkt zugänglich. Ich nutze WeChat täglich, Taobao gelegentlich und werfe auch mal einen Blick in Baidu.

      Neue accounts für WeChat kann man im Ausland allerdings nur noch beschränkt oder gar nicht anlegen. Diese Einschränkungen hat sich China selbst aufgelegt, aus welchen Gründen auch immer.

      Der Schuss geht bei Ihrer Argumentation also völlig nach hinten los.

  • Deutschland und europäische Länder haben sich extrem abhängig gemacht von China. Das ist so bei Rohstoffen und vielen industriellen Bauelementen und Ersatzteilen.

    Was aber auch riskant ist, ist in wie vielen Bereichen mittlerweile chinesische Wissenschaftler und Ingenieure einen Hauptteil der Produktivität tragen. Es gibt z.B. Forschungsgruppen in den USA, wo auf der Ebene der Doktoranden, die die eigentliche Arbeit machen, fast keine Nicht-Immigranten mehr sind. Auch in Deutschland ist der Anteil stark gestiegen.

    Nicht dass das falsch verstanden wird - ich bin sicher davon überzeugt, dass wissenschaftlicher Austausch und Arbeitserfahrungen sehr wichtig sind (auch für Europäer!).

    Aber der hohe Anteil an Ausländern verdeckt, wie in anderen Bereichen wie z.B. der Krankenpflege, ein massives Problem: Die Arbeitsbedingungen und Gehälter sind so schlecht, dass es für Inländer nicht mehr attraktiv ist, so eine lange, arbeitsintensive und schwierige Ausbildung zu machen.

    Setzt sich diese autoritäre Entwicklung fort, so wird China irgendwann seine im Ausland arbeitenden Experten zurück rufen. Erst mit Anreizen, aber dann mit Druck.

    Und wenn alle diese Leute gehen, hat der Westen ein Problem, denn aufgrund ihrer Zahl werden sie eine große Lücke hinterlassen, die aufgrund der langen Ausbildungszeiten nur in Jahrzehnten geschlossen werden kann. Das sind wesentlich längere Zeitskalen, als die Erschließung z.B. neuer Rohstoffquellen dauert,

    Und dies würde unsere ohnehin schon bestehende technologische Abhängigkeit - man denke nur an Halbleiter - massiv verstärken.

    • @jox:

      Es ist wohl etwas realitätsfremd anzunehmen das China seine Auswanderer "zurückrufen" kann. Die meisten (70-80% meiner Erfahrung nach) der Chinesen sind heilfroh "drasußen zu sein". Zudem ist der Anteil der Chinesen an der weltweiten Migration von Fachkräften bei weitem nicht so groß wie Sie es darstellen.

      Umgekehrt wird ein Schuh daraus. China sitzt stärker in der demographischen Falle als Europa. Bis 2100 wird es bei Fortschreibug gegenwärtiger Tendenz nur noch ca 800Mio Einwohner haben. Angesichts des grassierende Nationalismus und Rassimus in China (wer es nicht glauben mag soll mal versuchen dort zu leben, am besten mit schwarzer Hautfarbe) dürfte Einwanderung auch kaum in Frage kommen.

      • @Michael Renper:

        Die richtige Realitätsfremde ist das Chinesische Diktatur selber.



        Sie unterschätzen den Kraft der Regierung dort.

        Einfacheres Beispiel:



        das s.g. Social-Credit System in China.. Wo die Bürger durch Überwachung (mit Kameras usw sogar) die Punkte nach deren Verhalten kriegen...



        de.wikipedia.org/w...ozialkredit-System

        Wer so was im 21.JH machen kann, kann sicher noch wenige absurede Aktionen machen. Wie seinen Bürger im Ausland zurückzurufen bzw zu forcieren.

  • Die Frage ist, ob es sich bei der Abschottung um ein Zeichen der Stärke oder der Schwäche handelt.

    Was sicher ist, für den Rest der Welt wird es so oder so unschön werden.

  • Ich habe aufgrund noch täglicher Kontakte zu chinesischen Freunden aus der Vor-Corona Zeit ein Gefühl für die Stimmung der Leute und kann die Meldungen in der internationalen Presse mit der Realität abgleichen.

    Leider, leider gibt dieser Artikel die Lage uneingeschränkt korrekt wieder. Die Abschirmung verbunden mit zunehmender Propaganda (=nur noch die offizielle Regierungslinie in allen Medien) wirkt selbt bei vergleichweise weltoffenen Chinesen.

    "Taiwan ist ein untrennbaren Teil Chinas" und "Die Welt ist nut neidisch auf den Erfolg Chinas und will uns deshalb nur böses" sind noch die harmloseren Ausdruckformen.

    Die Integration China in die kulturelle Weltgemeinschaft (im Verlgeich z.B zu Indien oder Taiwan oder Japan oder Korea) ist unter Xi Jiping um 20 Jahre zurückgeworfen worden.

  • China war und ist und wird nie ein demokratischer Land unter KPC-Regierung.

    Und die schlimmste Demokratie ist besser als eine Diktatur, wo man nicht aussprechen darf.

  • Auch hier gilt,



    wieso soll die ganze Welt so leben wie wir es hier für richtig halten ?



    Was für Afghanen die lieber unter einer Talibanregierung leben anstatt unter einer vom Westen gesteuerten Marionettenregierung zählt sollte genauso für China zählen.



    Das unsere Westliche Lebensweise halt bloß für 15-20% der Weltbevölkerung zählt ist nun mal so.



    Der Einflussbereich der Klimabewegung deckt sich im übrigen mit dem westlichen Einflussbereich.

    • 8G
      82928 (Profil gelöscht)
      @Sinulog:

      Klar, die wollen alle so leben in Afghanistan und China, weil ja alles freiwillig so gewählt...



      "Das unsere westliche Lebensweise halt bloß für 15-20% der Weltbevölkerung zählt ist nun mal so“ das ist Quatsch westliche Kultur hat in jeden Land der Welt mehr Einfluss als irgendwas sonst



      vielleicht nicht die Demokratie aber alles andere z. B. Lifestyle und so weiter... nirgendwo auf der Welt träumt ein jugendlicher davon



      oh ich würde gerne die Freiheit der Chinesen oder Afghanen haben



      und das ist der Punkt.

      • @82928 (Profil gelöscht):

        bloss weil jemand nee Jeans anzieht Smartphones und Streamingdienste nutzt heißt das nicht das er den Westlichen Lebensstil haben will…



        Sowohl wirtschaftlich als auch/und gesellschaftlich bestehen häufig differenzen.

    • @Sinulog:

      Naja, die Frage ist, ob die ganze Welt überhaupt die Wahl hat zu entscheiden wie sie leben will. In einem Land in dem die gleichgeschalteten Medien nur noch die Gefahr aus dem Ausland beschwören, im Inland niemand zu widersprechen wagt und es sonst keine Informationsquellen gibt, ist die Wahl doch arg eingeschränkt. Ich finde einfach die Wahl unter den Bedingungen freier Informationsbeschaffung sollte der ganzen Welt erlaubt sein.

      Ich finde auch es sollte uns „Ausländern“ erlaubt sein keine Baumwolle aus evtl. problematischer Herkunft kaufen zu wollen, den Dalai Lama gut zu finden, etc. ohne Repressalien befürchten zu müssen. Die Frage ist hier schon eher wieso wir so leben sollen wie man es dort für richtig hält.

      Btw, wieso drehen wir den Spies nicht einfach um und drehen wegen jedem Post in China der uns nicht gefällt am Rad? Wieso zwingen wir chinesische Unternehmen die hierzulande Geschäfte machen wollen nicht dazu unsere Werte auch in ihren Zentralen in China zu respektieren? Wieso verpassen wir chinesischen Sportlern nicht einen Maulkorb damit die nicht kritisch über uns reden?

      Ihre Argumentation beruht auf einer sehr einseitigen Sichtweise, da sind es prinzipiell „wir“ die den Chinesen irgendwas aufzwingen wollen, aber ganz so einfach ist es dann doch nicht…

      Und zu den Taliban, wenn die Afghanen unter den Taliban verhungern wollen, dann sollen sie das tun. Aber irgendwie glaube ich da nicht dran. Nur ist es auch da so, wenn so eine Gewaltherrschaft erstmal etabliert ist, dann wird man sie nur schwer wieder los.

  • Ich denke, das hat sich schon seit einer Weile angebahnt. Das traumhafte Wachstum, das die Chinesische Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten hingelegt hat neigt sich dem Ende zu.

    Damit werden diejenigen in China, für die Wohlstand noch ein uneingelöstes Versprechen wird verständlicherweise unruhig. Und das sind nicht wenige.

    Wie meistens reagiert auch hier die Führung mit Repression und Abschottung. Und tut ihr bestes, Nationaleifer anzufeuern und darauf zu surfen, so lange es geht.

    Es wird nicht lustig, fürchte ich.

  • Ich finde das völlig ok sich eher aus dem Reich der Mitte zurückzuziehen als sich bis zu Unkenntlichkeit zu verbiegen.

    Zudem das ja auch das deutliche Signal sendet: Geld und Markt haben auch noch irgendwo ihren Stolz.